"Aufliegende Fase" bei Schruppröhre

[Gerhard]

Hallo,

ich bin absolut blutiger Anfänger im Drechseln. Ich habe heute meine dritte "Unterichtsstunde".
Mein "Lehrer" verwendet die Schruppröhre fast waagerecht, knapp über der Werkzeugmitte. Reinhold Ege beschreibt ein Aufliegen der Werkzeugfase auf dem Werkstück. Nach meiner letzten Unterichtsstunde habe ich ein Lehrvideo zum Langholzdrechseln mitbekommen. Als Hausaufgabe sozusagen.

Dort wird die Haltung der Schruppröhre als "wie eine Orange schälen" beschrieben. Der Support etwas höher und der Griff nach unten, so daß die Schneide am Werkstück ziemlich oben greift und die Fase wirklich aufzuliegen scheint.

Gibt es da ein eindeutiges "Richtig" und "Falsch"?

Viele Grüße,
Gerhard

[reinhold]

hallo Gerhard,
warum schreibst Du "Lehrer" in Anführungszeichen ?

Dann :
die Höhe der Handauflage ist auch abhängig von der Höhe der Drehachse und der Körpergrösse des Drechslers. Eine verbindliche Einstellung gibt es nicht. Die Haltung wie im Video würde ich bevorzugen, ohne das Video zu kennen.

Verbindlich ist : die Röhre soll SCHNEIDEN und nicht schaben. Wenn sie schneidet, liegt automatisch auch die Fase auf. Wenn die Fase aufliegt, werden die Kräfte auf das Werkstück abgeleitet. Du kannst (mit etwas Übung) mit einer 35 mm Schruppröhre einen dicken Span abnehmen und die Röhre nur mit zwei Fingern einer Hand halten und führen.

Anders ausgedrückt : wenn Du Kraft brauchst zum Halten des Drechslerstahls, dann machst Du etwas falsch.

Wenn ich Anfänger unterrichte, dann lasse ich sie zuerst immer einen dicken Zimmermannsbleistift anspitzen. Von Hand und mit der Drechslerröhre bzw. dem Schrägmeisel. Dabei können sie alle Bewegungsabläufe und auch die Haltung des Werkzeugs relativ zum Werkstück sozusagen in Zeitlupe studieren.

Gruss
reinhold
(Fase aufliegen lassen !)

[Gerhard]

Hallo Reinhold,

schön daß Du geantwortet hast, ich habe eben nochmal deinen Artikel im Schärfprojekt zu den Schruppröhren durchgelesen.

Warum Lehrer in Anführungszeichen. Gute Frage. Lehrer, Meister, Ausbilder, Mentor sind alles Begriffe die vieleicht zutreffen, aber auch eine dauerhafte Lehrer/Schüler Beziehung ausdrücken. Und ich bin eigentlich noch beim Probedrechseln.

Ich versuche im Moment meinem Lehrer schonend beizubringen, daß ich an Schalen nicht sonderlich interessiert bin und gerne etwas über Langholzdrehen lernen möchte. Scheint ein echter Querholzfan zu sein. Ich würde das Drechseln aber gerne lernen um im Bereich des Möbelbaus mehr Möglichkeiten zu haben, nicht so sehr um aus wunderschönen exotischen Hölzern dünnwandige Schalen zu drehen. Vor diesen Arbeiten habe ich höchsten Respekt, aber das ist trotzdem nicht unbedingt mein Ziel.

Vielen Dank,
Gerhard

[reinhold]

hallo,
bei Dir in der Nähe gibt es sicher eine Stadtbibliothek oder sogar eine Unibibliothek.
Dort kannst Du per Fernleihe folgende Bücher ausleihen :

Richard Raffan,
"Drechseln"

Otto Maier, Ravensburger Verlag, Ravensburg, 1990
Reihe : Ravensburger Holzwerkstatt Band 6, 183 Seiten, viele Fotos
ISBN 3-473-42547-8
Original : Turning Wood with Richard Raffan 1985

Ein ausserordentlich vernüftiges Buch, nach dem man tatsächlich Drechseln lernen kann.
Raffan erklärt in verständlicher Weise die Grundlagen von Lang- und Querholzdrechseln, die Maschinen, die Einspanmnwerkzeuge und geht auf die Sicherheit am Arbeitsplatz ein.
Zwei Beispiele werden durchexerziert : die Anfertigung eines Scheibenfutters und eines Werkzeugheftes. Schade, dass dieses Buch vergriffen ist.

Jürgen Gombert
„Die Technik des Drechselns“

Callwey, München 1984, 160 Seiten, mit Zeichnungen und Fotos
ISBN 3-7667-0742-6

J. Gombert war damals der Obermeister der Drechlserinnung Nordhessen-Kassel, also ein Mann vom Fach. Er beschreibt umfassend, aber weniger in die Breite gehend als Spannagel, die Aspekte des Drechslerhandwerks, geht auf die moderneren Fertigungsmethoden ein und auch auf das Holz. Er beschreibt detailiert einige Arbeitsweisen, weswegen sein Buch durchaus auch als Anleitung zum Drechseln-lernen gebraucht werden kann.

Beide Bücher sind ausserordentlich vernünftig gemacht und erklären sehr gut das Langholzdrechslen !
Weitere Bücher im Wikiwoodworking unter http://www.woodworking.de/cgi-bin/wiki/wiki.pl?Buecher

Natürlich kann man allein aus Büchern das Drechseln nicht lernen. Aber man kann lernen, die schlimmsten Fehler nicht zu machen und man erhält einige gute Anregungen.

Viel Spass und Erfolg beim Drechseln - es ist eine faszinierende Tätigkeit !

gruss
reinhold

[Gerhard]

Hallo,

das hat sich wohl geklärt. Das werde ich vermutlich nächste Woche lernen.

Meine erste Schale - oder besser mein erstes Schälchen - ist gestern fertig geworden. Natürlich mit reichlich Hilfe.

Vielen Dank,
Gerhard

[Christoph Nowag]

[In Antwort auf #15135]
Hallo Reinhold,

Du schreibst in Deinem Beitrag u.a. 'Wenn ich Anfänger unterrichte ...'. Gibst Du denn Drechselkurse? Das würde mich ja sehr interessieren!

Viele Grüße
Christoph

[reinhold]

hallo Christoph,
ich habe in der Vergangenheit interessierten Mitbürgern das Drechseln gezeigt und versucht, die Weichen richtig zu stellen (weg vom Schaben , hin zum Schneiden).
Ich gebe keine Kurse und mache auch keine Einführungen mehr, weil meine Werkstatt im Keller eines Mehrfamilienhauses liegt und ich Belästigungen der Hausmitbewohner vermeiden möchte, wie sie auftreten können, wenn mehrere Leute an der Drehbank arbeiten.
Die Methode mit dem Bleistift halte ich weiter für gut, zudem lässt sie sich weiter ausspinnen und auch auf das Querholzdrechseln anwenden.
Von daher wäre es korrekter gewesen, im Imperfekt zu schreiben. Danke für den Hinweis.
viele Grüsse
reinhold

[Christoph Nowag]

... Schade ... aber kann ich gut verstehen.

[Heinz Gerd Reis]

Hallo Gerhard.

ich drechsle auch seit ca 9 Monaten erst und habe am vergangenen Wochenende einen Kurs in der Pfalz bei heinz Wiedemann (Drechslermeister) gemacht. Einfach super. Falls es dich interessiert, kannst du gerne mit mir Kontakt aufnehmen.

Viele Grüße
Heinz Gerd