Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Tibor Kund

Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Tibor Kund »


Hallo und Guten Abend,

ich bin gerade dabei, den Lieblingstuhl (Buche auf Nuß getrimmt) einer lieben alten Dame (und Katzenmutti; Katzenbesitzer haben bei mir immer gute Karten) zu verarbeiten.

Das Problem war, dass der Stuhl aus dem Leim ging. Reparatur schnell zugesagt, kann keine große Sache sein. Beim näheren betrachten hat sich herausgestellt, dass hier mehr im Argen ist als auf den ersten Blick: Verschiedene Reparaturversuche (nach Hausfrauen Art) haben mehr Schaden verursacht als gut gemacht. Es gab etliche Nägel und Stifte, verschiedene Batzen von den unterschiedlichsten Klebstoffen, ja auch noch Leukoplast. Und draufgeschmiert wurde auch schon alles, was irgendwie nach Nußbaum aussieht.

Also, sagte ich zu mir, wenn schon denn schon und zerlegte den Stuhl in Einzelteile. Die Teile sind inzwischen abgeschliffen, bin jetzt bei Körnung 180, jetzt kommt 240 und dann Wasser, mein Bedarf an Staubschlucken ist für die nächste Zeit gedeckt. Ich nähere mich also dem Aufbau. Den fertigen Stuhl will ich dann mit Nußbaumbeize auf ca. die ursprüngliche Farbe bringen und zum Schluss Wachsen. Aber davor muss ich das Ding wieder zusammenleimen. Und dazu brauche ich Eure Hilfe.

Soewit ich es weis, wirkt Holzleim (ich benutze 3D Weißleim) nicht durch den Klebstoff wie z.B. Kontaktkleber sondern durch das Aufquellen des Holzes. In diesen Stücken ist aber schon allerhand Leim und Klebstof. Ich schleife die Zapfen von der Trockenmasse frei und putze die Schlitze (bzw. Löcher bei 4 Runddübeln) so gut es geht, aber
a) es geht dabei Material verloren und
b) das Holz ist bestenfalls noch stellenweise saugfähig.

Das heißt wiedrum, dass ich so lange leimen kann, wie ich will, die Verbindungen werden nicht mehr richtig halten.

Wie kann ich den Stuhl wieder zum "Zusammenhalt" bringen? Lauter kleine Keile in allen Schlitzen? Dürfte schwierig sein, denn durch die Konstruktion des Stuhles (Stäbchen in der Rückenlehne etc.) muss ich stellenweise bis zu 12 Verbindungen gleichzeitig bewerkstelligen. Oder soll ich einen 2-Komponenten-Füllkleber hernehmen? Wie ist es dann mit der Flexibilität der Verbindungen? Ein Stuhl "Arbeietet" doch dauernd, zumal unter "Last".

Wenn jemand einen Vorschlag zur Lösung des Problems parat hätte, wäre ich sehr verbunden.

Mit Dank und besten Grüßen
Tibor K.

Walter Heil
Beiträge: 1425
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Walter Heil »


Hallo Tibor,

mit 2-Komponenten-Füllkleber habe ich zwar noch nicht gearbeitet, aber das würde ich probieren, da mir andere Leime nicht so erfolgversprechend scheinen. Wenn eine Klebstelle "arbeitet", ist sie locker. Also da würde ich mir keinen Kopf machen. Was ich bisher gemacht habe, ist ordentlich Holzleim rein und eine Woche vor der ersten Belastungsprobe stehen lassen. Ein Problem ist immer der überschüssige Leim.

Gruß, Walter



Friedrich Kollenrott
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Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Tibor,

so scheußlich das Zeug ist: Dies ist sicher ein Fall für Polyurethan (PU)- Leim. Der klebt teuflisch, schäumt auch in Fugen und Spalten auf und füllt sie.
Probier es vorsichtig aus und nimm nicht zu viel, das Aufschäumen und die Dünnflüssigkeit beim Abbinden führen schnell zu einiger Verschmutzung (hinnehmen und hinterher abschleifen).

Ich wünsche viel Erfolg

Friedrich

Stefan Hintzen
Beiträge: 357
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Stefan Hintzen »


Hallo Tibor,

guck doch einmal im guten Fachhandel nach dem 2K-Klebstoff Ponal Duo. Mein alteingesessener Schreiner aus dem Aachener Raum schwoert darauf, wenn wirklich nichts anderes mehr geht. Nachteil ist die begrenzte Offenzeit, da ist eine gute, versierte und helfende Hand sicherlich vonnoeten. Konnte es zur Genuege erleben, wenn man angeraunzt wird, wenn eine Zwinge nicht packen will, der Kleber runtertropft, der Chef sich die Finger vollschmiert und sogleich sauertoepfisch dreinschaut, weil er dann das ganze Wochenende ueber die Schmiere an den Fingern kleben hat, und dann so in den Gottesdienst...... Wichtig ist vor allem, den Stuhl einmal trocken zusammenzusetzen und alles, was man zum Spannen braucht, parat zu haben.
Andere Moeglichkeit: Rundduebel raus und gegen Neue, weil dicker, ersetzen. Damit haettest Du schon mal eine Menge an Arbeit beim Verleimen gespart und der Stuhl steht von Anfang fester, um nicht zu sagen,bombenfest. Die je 4 Ecken unter der Sitzflaeche hatten wir immer mit Multiplex-Dreiecken verstaerkt, sie werden angepaßt und dann mit dem Ponal Duo geklebt.
So sind viele Stuehle, welche eigentlich unrettbar aus dem Leim gegangen sind, wieder zu neuem Leben erweckt worden.

Frohes Verleimen

Steff


Edi Kottmair
Beiträge: 1054
Registriert: Sa 5. Jul 2014, 08:30

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Edi Kottmair »

[In Antwort auf #102409]
Hallo Tibor,

bisher habe ich 2 solche alten Stühle repariert bzw. restauriert. Beim ersten war alles genau so wie Du es beschrieben hast: Viel alter Kleber, mindestens 1 mal repariert, wackelnde Verbindungen. Zunächst habe ich die Schlitze sauber ausgefräst, um wieder frisches Holz zu bekommen. Die Schlitze waren dann natürlich 1 oder 2 mm breiter als zuvor. Dann habe ich die Zapfen mit Stechbeitel vom Kleber befreit und eine saubere Oberfläche hergestellt. Auf die so erhaltenen, viel zu dünnen Zapfen leimte ich großzügig auf jeder Seite frisches Holz auf. Großzügig heißt ca. 10 mm, damit man leicht auf das gewünschte Endmaß sägen kann. Natürlich kann man diese neu aufgedoppelten Zapfen auch durch Aufleimen von frischem Holz in der richtigen Dicke herstellen, aber dann muss der gesäuberte Rohzapfen schon gut vorgearbeitet werden. Welche Reihenfolge, ist also ziemlich egal.

Dann kann der Stuhl verleimt werden. Dafür gibt es viele verschiedene Tricks, wenn man keine 10 Hände hat. Zunächst einmal wäre ein Leim mit langer Offenzeit wünschenswert, aber leider kenne ich nur den Ponal L, den es nicht im Baumarkt gibt, sondern nur in 10 kg Eimern und größer. Vielleicht kannst Du etwas von einem Schreiner abfüllen. Die Offenzeit kann man auch durch Arbeiten in der Kälte verlängern. Manche verdünnen ihren Ponal mit 5 % Wasser, aber ein Anwendungstechniker von Henkel, den ich dazu befragte, hat mir davon abgeraten. Zum Verleimen sind Rahmenspanner hilfreich. Ein ebener Untergrund (z. B. Küchenarbeitsplatte oder Glaskeramik Kochfeld) ist notwendig, um zu sehen, ob alle Füße stehen. Vor dem Verleimen erst mal alles zusammenstecken und testen.

Als der Stuhl dann endlich nach einem ganzen Tag Arbeit fertig war, erhielt ich von seinem Besitzer einen müden Händedruck und eine Flasche Wein. Deshalb habe ich den zweiten Stuhl mit den gleichen Problemen etwas schneller repariert. Zunächst säuberte ich die Schlitze und Zapfen mittels Stechbeitel vom alten Kleber und verleimte einfach mit Ponal Expert 2 Komponenten Reparaturspachtel. Dieser Kleber ist lückenfüllend. Die Reparatur dauerte nur noch einen halben Tag und ich erntete ein "Vielen Dank". Das große Problem bei Ponal Expert ist die kurze Offenzeit, die Du wiederum durch Kälte etwas verlängern kannst. Aber nach 10 bis 15 Minuten muss der ganze Stuhl zusammen sein! Die 12 Stäbe in der Rückenlehne sollte man vielleicht vorher schon irgendwie einleimen.

Ich hoffe, das nützt Dir etwas.
Viele Grüße von
Edi

Walter Heil
Beiträge: 1425
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Walter Heil »

[In Antwort auf #102411]
Hallo Friedrich,

das Zeug hab' ich auch schon ausprobiert wegen D4 und Anwendung für Holz im Freien, aber der austretende und aufschäumende Leim erinnert mich stark an Montageschaum, und ob da die Kräfte, die in Stühlen (beim Wippen auf zwei Beinen!!) auftreten, gebändigt werden, bin ich mir nicht so sicher. Aber ich kann auch nicht das Gegenteil behaupten.

Gruß, Walter

Stefan Hintzen
Beiträge: 357
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Stefan Hintzen »


Hallo Edi,

dem Besitzer der beiden Stuehle sollte man einmal etwas erzaehlen, finde es einfach unschoen, wenn man so abgespeist wird, zumal Du sicherlich viel Arbeit in die Stuehle gesteckt hattest.
Vielleicht kann ich Dir ein paar gute Tips zukommen lassen, wie man solchen undankbaren Zeitgenossen eins auswischen kann ! ( Ach ja,bin eigentlich ein friedliebender Mensch !)

Frohes Rache-Üeben

Steff

Jürgen z.H.

Re: Hilfe: Alten Stuhl wiederverleimen

Beitrag von Jürgen z.H. »


Hallo,

das ist tatsächlich das gleiche Zeug wie Montageschaum. Ich habe damit schon einmal einen Stuhl geleimt. Fugen werden stabil aufgefüllt, der Halt ist super. Ekelig ist das unkontrollierte Ausschäumen. Die Offenzeit sollte bei zügiger Arbeit ausreichen, um den Stuhl in einem Rutsch zu leimen. Wichtig nicht mit den Fingern verarbeiten. Hinweise beachten!

Im übrigen härtet der Kleber nicht durch Luftkontakt aus, sondern durch Feuchtigkeit. Es kann sinnvoll sein, die Löcher etwas anzufeuchten. Man kann den Kleber auch mit etwas verrühren. Der Leim härtet dann schneller aus und schäumt nicht so stark auf. Wobei das Aufschäumen sowieso geringer ist als bei Montageschaum.

Viel Erfolg!

Jürgen

Tibor Kund

Re: Danke und ein Hoch aufs Forum!

Beitrag von Tibor Kund »

[In Antwort auf #102409]
Liebe Leute,

ich danke herzlich für die zahlreiche sinnvolle, konkrete und äußerst prompte Antworten. Es ist schön zu wissen, dass wenn man im Moment nicht weiterkommt, genug Fachwissen, Erfahrung und Hilfsbereitschaft geboten wird, um einen über den Tücken der "kleinen Aufträge" hinweg zu helfen.

Ich bin so frei und suche mir aus den verschiedenen Antworten zusammen, was am besten passt; es wird wohl 2K-Spachtel, neue Dübel und Eckverstärkung.

Mein Lohn in dieser Sache ist wohl Kaffee und Kuchen - muss ich denn der alten Dame genau beschreiben, was für ein Aufwand so ein kleiner Auftrag verursacht? Sie wäre nimmer froh mit ihrem Stuhl.

Heute sehe ich wieder - und das nicht aus purem Eigennutz - meine Hochachtung vor den Forumsteilnehmern bestätigt.

Mit Dank und besten Grüßen
Tibor K.

Dieter Macher

Re: Danke und ein Hoch aufs Forum!

Beitrag von Dieter Macher »


Hallo Tibor,

Ich denke bei all deiner Mühe und Zeit die du investiert hast, ist die Freude, welche die Dame haben wird, wenn Sie Ihren Lieblingstuhl wieder top hergerichtet und gut repariert in den Händen hält, Lohn genug.
Betreff. Haargenaue Schilderung der Rep. einen Tipp: Ein paar kurze Ausführungen, in dennen der Hinweis "versteckt" ist, das es gar nicht so lange gedauert hat. Ich glaube, in diesen Fall ist eine kleine " Notlüge" erlaubt, und der Herr wird sie Dir zur Freude der Dame auch gerne Verzeihen.
Nach dem Motto:
Jeden Tag eine gute Tat.
Ich versuch´s täglich auf´s Neue........-meistens finde ich auch ein "Opfer".

Mit "kaffee-getränkten" Gruß

Dieter M.

PS: Und las Dir die selbstgebackenen Kekse schmecken.....

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