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In Antwort auf #44956]
Liebe Forumsteilnehmer,
vielen Dank für eure Kommentare zu dem etwas anderem Regal. Ein nicht alltäglicher eher minimalistischer Entwurf, der zu Widersprüchen anregt und individuelle positive und negative Reaktionen hervorruft.
Das Einstellen dieses Projektes kam mir gestern ganz spontan, ich wollte eigentlich einen Gegenpol zu der teilweise sehr emotionalen Werkzeug (Rotex) -Diskussion bringen und habe in meinem Archiv nach einem nicht ganz alltäglichen Projekt gesucht und stieß auf dieses Regal. Es wurde bereits im November 2006 fertig gestellt, so dass ich die Studentin heute nicht mehr nach ihren Gründen über die Funktion und Gestaltung befragen kann. Ich habe noch mal nachgesehen, habe aber keine anderen Bilder über Details oder die Bauphase. Ich habe damals auch nur schnell ein Erinnerungsfoto bei der Abholung geschossen. Aus der Erinnerung kann ich folgendes berichten:
Wir diskutierten intensiv über die Statik des Regals. Die Studentin wollte unbedingt die offene Mäanderform und auch sichtbare schlichte Fingerzinken, keine offene Schwalbenschwanz-Zinken. Das Regal sollte dreiteilig zerlegbar sein, das Oberteil sitzt mittels Runddübel auf den beiden Grundregalen. Das Problem war die Stabilität der Eckverbindungen. Ich schlug eine große Rückwandplatte vor, die einen Teil der vertikalen Kräfte aufnimmt, wurde abgelehnt. Trotz der stabil verleimten Fingerzinken gab das Holz nach und die lichten Abstände verkleinern sich, das sah be
.. aus. Das war zu erwarten. Die Studentin wollte es aber vorher nicht ganz glauben und ging das Risiko bewusst ein. Also try and error. Als Notlösung unterstützte sie dann mit Rundstangen um das betont offene des Regals nicht zu stören.
Die Funktion: Aufbewahren und ablegen von Büchern, Zeitschriften. Wenn ich mich recht erinnere wollte sie sogar daran an einem erhöhten Hocker sitzen und arbeiten. Deshalb auch der Zwischenraum.
Aus handwerklicher Sicht ein sehr problematischer Entwurf, der den geforderten Belastungen ohne Stützen nicht wirklich standhält. Ich hätte Stützen aus Plexiglas oder Edelstahl verbaut. Ich finde es aber sehr wichtig, dass man jungen, angehenden Innenarchitekten die Möglichkeit gibt sich zu verwirklichen, auch mit dem Risiko dass das Projekt daneben geht. Dabei machen sie wichtige persönliche und fachliche Erfahrungen aus denen sie lernen und die sie weiterbringen. Wer sich nur nach der Masse richtet wird immer nur mittelmäßig bleiben. Auch muss man sich mal zutrauen unorthodoxe Wege zu gehen.
Der Entwurf erinnert mich an die minimalistischen Möbelentwürfe des bekannten Architekten DONALD JUDD. Weitere Infos über ihn findet ihr im Wikipedia.
Ach ja: die Fingerzinken wurden mit dem VS 600 gefräst. Dazu ein Tipp: da die Zinkenabstände fugenlos sind, sollte man die Teile 2 mm ineinander stecken und erst dann Leim angeben. Tut man das nicht, quellen die Zinken durch den Leim und man bekommt die Teile nicht mehr ineinander. Ich stelle die Frästiefe so ein, dass das Stirnholz der Zinken ~ 3/10 mm unter der Fläche des Gegenholzes zurückstehn. Damit kann ich beim Verleimen Zulagen direkt auf die Zinken legen. Der geringe Rücksprung wird anschließend bündig verschliffen. Ich nehme dafür einen roten Schwingschleifer mit ebenem Schleifschuh.
Danke für euer Interesse.
Gruß aus München
Roland