werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Friedrich Kollenrrott

werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Friedrich Kollenrrott »


Bei allem deutlichen Erfolg dieses Forums (offenbar gibt es mehr Interessenten, die hineinsehen, und es tauchen auch immer neue aktive Mitmacher auf)- quält mich die Vorstellung, dass hier mit Hilfe des Internets vielleicht doch nur die verstreuten Reste einer sterbenden, skurrilen Bewegung zusammenkratzt werden.

Nicht, dass ich das Bedürfnis hätte, mich in einer Massenbewegung zu befinden. Mir ist aber völlig klar, dass es eine Mindest- Marktgröße gibt, damit ich weiter meine Bedürfnisse decken kann. Wird es in ein einigen Jahren noch Händler geben, bei denen ich Werkzeug kaufen kann? Die mich mit Verbrauchsmaterial wie Schleif- und Abziehsteinen versorgen? Ich bemühe mich ja, zu einer guten Entwicklung beizutragen, aber gibt es sie?

Woran könnte man erkennen, ob die Arbeit an Holz mit Handwerkzeugen einen wachsenden Zuspruch findet? Am Umsatz einschlägiger Händler ganz allgemein? Am Umsatz bestimmter Produkte?

Wie viele Menschen kaufen sich schöne Werkzeuge und benutzen Sie dann wirklich? Es gibt ganz sicher Unmengen dieser Teile, die irgendwo völlig ungenutzt verstauben. Vielleicht ist der Umsatz an „Verbrauchsmaterial“ oder sein Anteil am Gesamtumsatz ein besseres Indiz. Ersatzeisen kauft nur, wer das alte aufgebraucht hat. Schleif- und Abziehsteine, Sägefeilen und ähnliches kauft nur, wer wirklich schärft und also mit seinen Werkzeugen arbeitet. Auch Mittel, die zur Oberflächenbehandlung von rohem Holz eingesetzt werden, Leime und derartiges kauft man nicht für die Vitrine.

Ganz sicher wäre es eine Illusion und auch unfair, von einem im Handel mit solchen Gegenständen tätigen (ja, wen meine ich hier wohl) eine exakte Auskunft darüber zu erwarten, wie sich seine Umsätze entwickeln.

Trotzden, Dieter, bitte Dein persönlicher Eindruck (Du brauchst und sollst uns nicht mit Zahlen langweilen): Werden diejenigen, die Holz von Hand bearbeiten, mehr?

Friedrich


Christof
Beiträge: 222
Registriert: Mo 29. Apr 2013, 23:37

Re: werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Christof »


Hallo Friedrich,
eine Frage, über die auch öfters nachdenke.

Genauer gesagt stellst du aber drei Fragen. Gibt es mehr Holzwerker? Gibt es Hersteller? gibt es Händler? Ich denke, wir, die Holzwerker werden mehr, sonst gäbe es dieses Forum nicht. Andererseits weiß ich nicht, wie es mit der Anzahl der Profis bestellt ist, die noch/wieder Handwerkszeuge benutzen. Ich habe das dumme Gefühl, daß sie sehr im Schwinden ist.
Hersteller gibt es ja viele neue. Und sogar in Deutschland. Vielleicht fällt es Herrn Epple einmal ein, den einen oder anderen Hobel zu bauen, oder eine richtig gute Gestellsäge aufzulegen. Am meisten Sorgen mache ich mir um die Sägefeilen. Wenn es Grobet einfiele, die nicht mehr zu produzieren, weil alle mit ihren turbo-gehärteten Zähnen universal sägen, was dann?
Bei den Händlern muß ich antworten, daß es die jetzt zumindest schon nicht mehr gibt. Ich habe einmal meine Hobelbank im örtlichen Werkzeughandel bestellt. Das war sehr unerfreulich. Seitdem bin ich treuer Kinde Internet. Im Holzhandel scheinen sich die Dinge zu ändern. Conger hat einen sehr schöen Link gepostet, der fast nach amerikanischen Verhältnissen klingt. Dieser Händler wird nicht der einzige bleiben.

Viele Grüße, Christof.

Wolfgang Peter
Beiträge: 40
Registriert: Fr 13. Sep 2013, 13:24

Re: werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Wolfgang Peter »


Hallo Friedrich und Christof - und alle anderen natürlich auch,
1 klares Statement von meiner unbedarften Seite: Wir werden mehr! Seit ich mit der mehr archaischen, "richtigen" Holzbearbeitung angefangen habe, sehe ich in meinem Bekanntenkreis enormes Interesse und viel Lob für meine Regale etc. Obwohl ich eigentlich noch ganz am Anfang stehe, sieht doch jeder sofort den Unterschied zur Pressspan-Massenware. Und manch einer probiert auch mal selbst was in meiner Werkstatt aus. Ich denke - so rein gefühlsmäßig - das Interesse wird eher noch zunehmen in trüben Zeiten wie diesen, wo die Menschheit nach einem Rückzugspunkt sucht und das Fernsehen immer schlechter wird.
Klingt toll euphorisch, gelle? Vielleicht irre ich mich aber auch, die Dinosaurier wussten ja bestimmt auch nichts vom nahenden Aussterben...
Grüsse
Wolle


Jürgen z.H.

Re: werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Jürgen z.H. »


Der Eindruck kann aber auch entstehen, weil langjährige Holzwerker erst jetzt anfangen mit dem Computer umzugehen oder erst jetzt auf die Idee kommen, dass sie zu ihrem Hobby im Internet Informationen finden.
Die klassische Baumarkt-Hobbybastler-Fraktion wächst, dazu gibt es Zahlen. Vielleicht entwickelt sich ja der eine oder andere zum Neandertaler weiter. Ich lese in beiden Foren und verwende immer mehr Handwerkzeuge.

Jürgen

Wolfgang Jordan
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Re: werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Wolfgang Jordan »

[In Antwort auf #103387]
Hallo,

ich habe auch den Eindruck, daß wir mehr werden. Ich bin mir aber bewußt, daß dieses Gefühl dadurch zustande kommen kann, weil mehr von uns das Internet nutzen. Über die Welt draußen kann ich nichts sagen. Holzwerken mit Handwerkzeugen kommt in meiner Umgebung nicht vor.

Als ich 1999 meine Homepage ins Netz gestellt hatte und die ersten Reaktionen kamen, fühlte ich mich wie am Nabel dieser speziellen Welt. Aber bald habe ich gemerkt, daß das Internet nur einen Ausschnitt zeigt, und nicht einmal einen besonders großen. Die Handwerker waren natürlich auch vorher schon da und hatten andere Kommunikationswege.

Auf der letzten 'Holzhandwerk' habe ich Herrn Emmerich gefragt, ob er denn eine Aufwärtsbewegung spürt und er jetzt mehr Hobel verkauft. Aber das scheint nicht der Fall zu sein. Das Hauptgeschäft läuft sowieso über Ausbildungsstätten, und da hat sich nicht viel verändert. Aber vielleicht kann die Entwicklung in den USA einen Anhaltspunkt für unsere Zukunft bieten. Als 'Fine Woodworking' vor gut 25 Jahren herausgegeben wurde, war die Situation ähnlich wie bei uns heute. Und jetzt gibt es dort sogar neue Hersteller wie Knight Toolworks, Clark & Williams und andere. Natürlich haben wir keine so große Bevölkerung, um einen ähnlich großen Zulauf zu bekommen. Dafür haben wir aber den Vorteil, von Anfang an das Internet zur Verfügung zu haben.

Gruß, Wolfgang

Ingo Thiel

Re: werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Ingo Thiel »

[In Antwort auf #103397]
Hallo Männer!
Ich will,das wir mehr werden!Ich arbeite und lebe dafür.Wenn mich meine Bekannten ohne meine Kluft sehen dann fragen sie gleich ob ich krank sei. Arbeit macht mir Spaß(obwohl es nicht sehr populär ist)und gibt mir Befriedigung über das vollbrachte Werk. Die Arbeit mit Qualitätswerkzeug geht viel leichter von der Hand,als mit minderwertigem Werkzeug. Wenn bei mir ein Geselle anfangen möchte,muß er erstmal zeigen ob er auch mit seinem Handwerkszeug umgehen kann,denn nicht auf jeder Baustelle ist Strom vorhanden. Der Lehrling muß ja auch erstmal die Grundlagen kennen und beherrschen,bevor er mit Maschinen arbeitet. Ja,leben wir einfach das,was wir wollen und haben Spaß dabei,dann werden die anderen auch sehen wieviel Spaß man mit gutem Werkzeug und am Handwerk haben kann.
Gruß Ingo!



Rolf Richard
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Re: werden wir mehr? oder machen wir uns was vor?

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo,

bin neu hier und erst seit dem Sommer ernsthaft mit dem Thema Holz beschäftigt. Es ist auch nicht mein Beruf, sondern ein Hobby - zuerst geboren aus den Notwendigkeiten, dann Spass daran gefunden. Nun könnte man sagen, das ist so etwas wie ein Indiz für die These, es würde mehr. Aber eben auch nur eines! Wenn ich mich allerdings in meinem Umfeld umschaue, dann haben in den letzten Jahren zwei Bekannte angefangen, sich ernsthaft mit Holz zu beschäftigen und auch sehr vorzeigbare Resultate erzielt.

Gruss

Rolf

Jörg Ed. Hartge
Beiträge: 270
Registriert: Do 14. Aug 2014, 06:02

Re: werden wir mehr? - Tja ...

Beitrag von Jörg Ed. Hartge »

[In Antwort auf #103390]
Tja, es sind, wie Christof schon schrieb, drei getrennte Fragen. Meine ganz persönliche Einschätzung dazu:

1. Händler:
Ich bin absolut Christofs Meinung: Der gute Werkzeughandel mit ordentlichem Handwerkszeug, den es früher "um die Ecke" in jeder Kleinstadt gab, ist schon fast nicht mehr existent. Da gibt's aus meiner Sicht auch keine Umkehr. So jemand, wie Dieter Schmidt, ist eine rühmliche Ausnahme der die Regel bestätigt. Die geringe Dichte der Profikunden führt letztlich zum Internethandel.

2. Hersteller
Es gilt fast das gleiche wie für Händler - nur zeitverzögert. Es werden sich sicher einige wenige halten (wie ECE) und hier und da wird mal ein neuer Stern (wie Epple) auftauchen. Aber die dramatische Entwicklung von Beginn der 60-er Jahre bis heute wird sich nicht mehr umkehren und die alte Hersteller-Vielfalt wird sich nicht mehr wieder einstellen.

3. Holzwerker
Da muss man wohl unterscheiden:

3a) Gewerbliche Profi's (Schreiner, Orgelbauer, Mühlenbauer, Instrumentenbauer, ...): In den letzten Jahrzehnten gab es eine dramatische Abnahme der Gesamtzahl, und wenn man dann noch die betrachtet, die vorwiegend mit Handwerkszeug arbeiten, bleibt ein ganz kleiner Rest - vielleicht stabil, aber nicht ernsthaft wieder zunehmend.

3b) "Baumarkt-Hobbywerker": Die Marketing-Statistiken sagen sicher, diese hätten deutlich zugenommen und nähmen noch zu. Am Maschineneinsatz und -umsatz gemessen, stimmt das wohl auch. Aber wenn ich bedenke, was früher (mit einfachem Handwerkszeug) auch schon alles selbst gemacht wurde - was heute teilweise nicht mehr gemacht wird (weil z. B. nichts mehr repariert wird) bin ich mir mit der Zunahme nicht mehr so sicher. Man ging früher halt nicht in den Baumarkt, sondern hatte irgendwelches altes Werkzeug vom Großvater und das Material waren Reste vom Schreiner nebenan.

3c) "Semiprofi-Holzhandwerker": Solche Leute, wie sie sich hier im Forum tummeln, hat es im Prinzip wohl immer gegeben und ich persönliche glaube, dass deren Zahl im Wesentlichen konstant ist. Sie waren schon immer relativ selten, nur durch das Internet "sehen" sie sich jetzt und man hat das Gefühl, es würden ständig mehr. Was in diesem Bereich aber bestimmt zugenommen hat und noch zunimmt, ist der Wunsch nach edelstem Handwerkszeug. Das Geld, was dieser Kreis dafür ausgibt, nimmt wohl auch noch zu. Ich vermute, dass dieser Trend mit dem Verschwinden des "ordentlichen" Werkzeugs in unserem Umfeld zu tun hat. Was man in den Baumärkten bekommt, ähnelt immer mehr fabrikfrischem Schrott, um so mehr wird das Gefühl für das Gute geschärft.

Das Internet hilft uns, unsere "Holzwerker-Welt" zu erhalten. Wir können so das nötige Fachwissen am Leben erhalten, dass es beim Schreiner in der Nachbarschaft und in der Handwerkerausbildung nicht mehr gibt. Wir können mit dem Internet teilweise die verlorene Fachhandelsstruktur ersetzen. Und - das wichtigste - wir geben uns das beruhigende Gefühl: "Es gibt noch viele andere, die so denken wie ich, also bin ich doch nicht ganz verrückt."

Grüße von einem nicht euphorischen, aber zuversichtlichten und glücklichen Holzwerker!
Jörg

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