Alte Werkzeuge, weicher Stahl?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Johan

Alte Werkzeuge, weicher Stahl?

Beitrag von Johan »


Hallo!

Ich habe ein paar sehr schöne und alte Werkzeuge, wuchtige Lochbeitel und Stemmeisen, die ich lange nicht angerührt habe, aber nun und möchte sie gerne benutzen. Ich stelle allerdings fest, dass der Stahl deutlich weicher ist als bei meinen neueren und neusten Werkzeugen. Manche der besonders schweren und alten Beitel sind so weich, dass man sie mit der Feile schärfen kann. Bei manchen Äxten mag ich das gerne, weil das die Arbeit im Wald erleichtert und bei frischem nassem Holz nicht so sehr stört - aber bei Lochbeiteln finde ich den Gedanken an das ständige Nachschärfen sehr mühsam. Habt ihr ähnliche Erfahrung? Was haltet ihr von der Idee, einige Eisen ggf. neu zu härten und anzulassen? Beste Grüße

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Alte Werkzeuge, weicher Stahl?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Johann,
mit alten (wirklich alten) deutschen Beiteln habe ich kerne Erfahrung.. Bei alten englischen Beuteln habe ich allerdings festgestellt, dass ihre Härte sehr unterschiedlich war, und manche erschienen mir sehr weich.
Dass alte Eisen, die ein Schmied oder eine alte Manufaktur gemacht hat, in der Härte stark streuen, ist kein Wunder. Weder die Stähle in ihrer Zusammensetzung noch die Parameter des Härtevorganges waren ähnlich eng toleriert wie das heute bei industrieller Fertigung selbstverständlich ist.
Neu härten und anlassen? Wäre ein interessantes Experiment. Aber Du weißt nicht, was das für Stähle sind, und dann ist das Ergebnis sicher in hohem Maße Glückssache. Und sicher bekommst Du Verzunderung und vor allem Verzug. Denn, wie sagte Herr Scholz, einer meiner Lehrer: "Was nicht krumm ist, ist auch nicht hart!"

Ich täts nicht.

Grüße, Friedrich

Andreas Ranogajec
Beiträge: 582
Registriert: Do 16. Sep 2021, 02:04

Re: Alte Werkzeuge, weicher Stahl?

Beitrag von Andreas Ranogajec »


Hi,...
also von Friedrich zu lesen, das man bei gehärteten Stählen auf gewisse Toleranzen verzichten
muß hat mich sehr verwundert.
Sowas muß ich ersma sacken lassen :-)
Zu den Stechbeiteln kann ich nur sage. daß es eh nur 2 Möglichkeiten gibt damit klarzukommen.
Eine ist bei harten Stählen eine gute Schnitthaltigkeit bei größerem Schleifaufwand zu haben und
die andere ist bei weicheren Schnittstählen öfter zu schleifen.
In einem Beitrag der Zeitschrift fine woodworking hat man Stechbeitel untersucht und festgestellt,
dass die Rockwellhärte die Schnitthaltigkeit nicht direkt proportional beeinflußt, sonder vielmehr die
Struktur des Stahls, seine Bestandteile, Kohlenstoffgehalt etc,etc.
Die untersuchten Beitel hatten eine Rockwellhärte zwischen 56 und 63,5 HRC. Nur die Japaner
hatten mit ihrem Werkzeugstahl mit einem Kohlenstoffgehalt von ca.1 % exzellente Schneiden.
Die deutschen Fabrikate Hirsch und Spannsäge (vll. hast du welche zuhause...?!?) mit
58,5 / 59,5 / und 62,5 HRC hatten eine sehr gute Schnitthaltigkeit.
Du siehst 5 Rockwell Unterschied machen bei einer Schneide keinen großen Unterschied in der
Alltagspraxis.
Wenn ich aber ne Schneide feilen kann, dann stimmt allerdings was nicht...

Gruß Andreas



Kurt Heid
Beiträge: 293
Registriert: Mi 25. Aug 2021, 13:35

Re: Alte Werkzeuge, weicher Stahl?

Beitrag von Kurt Heid »


Hallo
man kann durch eine Funkenprobe (durch schleifen) einiges über Stähle erfahren, aber die Erfahrung u. das Wissen fehlt meist. Härten als nicht Fachmann, Finger weg. Luft, Öl, Wasser Härter das ist die Frage und die Ausführung.
Gruß Kurt

Andreas Ranogajec
Beiträge: 582
Registriert: Do 16. Sep 2021, 02:04

Re: Alte Werkzeuge...Funkenflugtabelle

Beitrag von Andreas Ranogajec »


...
Eine Tabelle gibts als pdf vom EUROPA Verlag.
Der Europa Verlag gibt auch das beste Fachbuch für Schreiner heraus.
Empfehlen kann ich Holztechnik-Fachkunde.
Ich hab eins in der 18.Auflage mit 560 Seiten geballtem, bebildertem
Fachwissen zu allen Bereichen.

Gruß A.

https://www.europa-lehrmittel.de/downloads-downloads/924/werkstoffpruefung_durch_funkenprobe.pdf

Hartmut H
Beiträge: 35
Registriert: Mo 19. Jun 2017, 12:45

Re: Alte Werkzeuge...Funkenflugtabelle

Beitrag von Hartmut H »


Moin,

Wenn du Spaß daran hast, mit dem Härten von Stahl rumzuspielen und Erfahrungen zu sammeln, kannst du es tun. Ich härte regelmäßig mit meinem Sohn, der Messermacher ist, einfache Kohlenstoffstähle. Schon mit einem Gasbrenner, ein paar Schamottesteinen und einem Kanister Rapsöl geht das durchaus. Angelassen wird im Backofen.

Unter Nutzenaspekten würde ich dir davon abraten. Du hast unbekannte Stähle, mit einiger Wahrscheinlichkeit technisch schlechter als moderne Werkzeugstähle. Du kennst den Härteprozess und die Anlasskurven dieser Stähle nicht. Vielleicht sind einige Werkzeuge auch weich, weil der Stahl einfach nicht mehr Härte annimmt. Dann müssen die Griffe runter. Der Stahl kann sich verziehen oder Risse ausbilden, auf jeden Fall verzundert er. Du musst die Werkzeuge also danach voraussichtlich komplett neu schleifen (alles, nicht nur die Schneide). Das richtige Werkzeug dazu wäre z.B. ein regelbarer Bandschleifer mit geeigneten Vorsätzen und viel Kühlung, um Härteverlust zu vermeiden. Dann neue Griffe anfertigen und montieren.

Ich halte die Chance, dass sich bei diesem Vorgehen eines der weichen Werkzeuge als Diamant entpuppt, für eher gering. Wenn ja, kann es wohl so gut sein wie gute moderne Werkzeuge. Dafür der ganze Aufwand?

Viele Grüße
Hartmut

Hartmut H
Beiträge: 35
Registriert: Mo 19. Jun 2017, 12:45

Re: Alte Werkzeuge, weicher Stahl?

Beitrag von Hartmut H »

[In Antwort auf #155192]
Moin,

Sehr guter Hinweis, Andreas! Es ist tatsächlich nicht die Härte allein, die die Schnitthaltigkeit bestimmt! Die Legierung und teilweise der Ablauf der Wärmebehandlung ist ebenfalls sehr wichtig. Der eine Stahl kann mit HRC 58 schnitthaltiger sein als ein anderer mit HRC 63. Es gibt auch Stähle, die, je nach Wärmebehandlung, gleiche Härte bei sonst unterschiedlichen Eigenschaften haben. So kann man z.B. Böhler M390 MC durch den Anlassprozess entweder auf Korrosionsfestigkeit oder auf Abrasionsfestigkeit optimieren d.h bei gleicher Härte erhält man dennoch ganz unterschiedliche Schnitthaltigkeit.

Viele Grüße
Hartmut

Johan

Re: Alte Werkzeuge...Funkenflugtabelle

Beitrag von Johan »


Hallo Leute,

danke für eure eifrigen und interessanten Antworten!
Ich war erst etwas ungläubig, wie es sein kann das so viele meiner alten Eisen so weich sind, und bin mit der selben Feile mal alle möglichen auch neueren Eisen durchgegangen und in der Tat auch viele Eisen von Spannsäge / Hirsch / Ulmia, lassen sich zumindest ein bischen feilen, wenn auch mit deutlich weniger Abtrag. Von denen ich weiss ich allerdings aus Erfahrung dass sie zufriedenstellend Schärfe halten und schneiden und dennoch weicher sind als meine Feile. Das ist eine Überraschung, durch mein Fragen und Eure Antworten habe ich also meine Vorstellung von Stahl und Härte etwas ausdifferenziert.

Experimente mit Funkenbeobachtung erinnere ich von vor ein paar Jahren, und zumindest zwischen Eisenstange und Werkzeugstahl kann man die Unterschiede schön deutlich zwischen Farbe und Form der Funken sehen. Wenn sich einige der Eisen in der Praxis als unbrauchbar weich erweisen, bringe ich sie "meinem" Schmied vorbei - der hat mir schon ein Äxte neu bestählt und kann das bestimmt präzise.

Dank und Grüße!


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