Spiegelseite kann doch schnell gehen!

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Rolf Richard
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Spiegelseite kann doch schnell gehen!

Beitrag von Rolf Richard »


Ein Forenmitglied beschwerte sich vor kurzem über den Aufwand beim Schleifen der Spiegelseite von Eisen auf Banksteinen.

Ich hatte da zwei ziemlich vergurkte Beitel herumliegen mit 24 und 20 mm Breite. Mit denen wollte ich dann mal etwas versuchen. Mehr als ganz ruinieren konnte nicht passieren.

Banksteine habe ich seit einem Jahr keine mehr, hab sie auch nicht vermisst, weil alles über die Tormek abgearbeitet wird. Nur mit dem Bearbeiten der Spiegelseiten nach Tormek-Vorgabe - auf der Seite des Schleifsteins - war ich auch nicht so richtig glücklich, um nicht zu sagen wurde immer unglücklicher.

Nach ein paar grundlegenden geometrischen Überlegungen gings dann an die Maschine. Vorher sahr das Eisen so aus:


Wie schon gesagt - ziemlich hingerichtet!

Nach - wie die Aufnahmezeit der Photos sagt - 8 (10?) Minuten stellte sich die Sachlage so dar:



Das sah doch schon sehr viel besser aus.

Wie geht sowas auf der Tormek oder jeder anderen vertikalen Nassschleifmaschine? Eigentlich verblüffend einfach.


Tangentiale Führung

Man legt die Spiegelseite auf den Stein, bewegt das Eisen vor und zurück. Dadurch, dass es tangential auf dem Stein aufliegt kann man es eigentlich gar nicht verkehrt halten, solange es in etwa parallel zum Stein steht. Die Abtragsleistung ist enorm, was vermutlich damit zusammenhängt, dass das Eisen ja nur auf einer Linie den Stein berührt, die Schleiffläche somit sehr klein ist. Das bedeutet einen hohen Schleifdruck pro mm² und damit starke Abtragung.

Eine Gefahr gibt es allerdings. Man kann wie auf einer Lederscheibe die Schneide verrunden, wenn man sie zu weit zurückziehtund damit die tangentiale Linie verlässt. Ist mir auch minimal passiert, wie mit relativ leicht mit Hilfe einer strichförmigen Lichtquelle (LED-Röhre) als (krumme) Speigelung auf der geschliffenen Fläche feststellen kann. Ein grosses Manko ist das nicht, man schleift ja sowieso noch die Fase nach, entfernt damit auch die Verrundung, wenn man etwas mehr als normal abnimmt. Da mit die Spiegelseite ja nur selten bearbeiten muss stellt das kein grosses Problem dar. Einmal gemacht und die Geometrie stimmt.

Im letzten Durchgang wird das Eisen fast gar nicht mehr angedrückt, liegt praktisch nur noch mit dem Eigengewicht auf. Nachkontrolle mit einem Präzisionswinkel von Richard Kell zeigt die Ebenheit der Fläche.

Jetzt erklärt sich auch, warum man mit Banksteinen so ackern muss um die Spiegelseite gut hinzukriegen. Der Schleifdruck ist viel zu niedrig, weil die auf dem Stein aufliegende Eisenfläche ernorm gross ist.

Folgende Versuche müssen noch kommen:

- Bearbeiten des Eisens mit einem auf fein modifizierten Stein
- Polieren der Spiegelseite mit dem japanischen Stein (SJ)
- Bearbeiten von breiteren Hobeleisen (Da gibts auch noch eine Krücke in der Sammlung!)

Gruss
Rolf


Friedrich Kollenrott
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Re: Spiegelseite kann doch schnell gehen! *MIT BILD*

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Rolf,
das sieht gut aus. Die Frage ist: Wie plan ist es? Denn die Spiegelseite deises Eisens würde ja (bei mir) zukünftig mit einem normalen Bankstein abgezogen. Ganz sicher ist da noch Nacharbeit auf einem Bankstein fällig.

Ich nehme mal als Erkenntnis, dass eine Tormek (im Umfangsschliff!) zumindestens zum ersten groben Überarbeiten verpfuschter Spiegelseiten besser geeignet ist als ich dachte.

Zur allgemeinen Belustigung füge ich mal ein Bild ein vom Spiegelseitenschleifen von Hand: Altes englisches Eisen, 19mm breit. Auf 1000er Shapton geschliffen. Von oben nach unten: 1 Stunde.



Grüße,

Friedrich



Wolfgang L.
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Re: Spiegelseite kann doch schnell gehen!

Beitrag von Wolfgang L. »


Hallo Rolf,

das ist ingeressant! Ich hätte nicht gedacht, dass das so gut funktioniert. Noch viel interessanter wäre zu sehen wie plan denn die Spiegelseite nun wirklich ist, also eine Prüfung mit einem Haarlineal oder ein kurzes Abziehen auf einer feinen Diamantplatte oder einem Wasserstein.

Einen kleinen Tipp habe ich noch für dich: Wenn du das Eisen immer gerade hältst, ist es sehr wahrscheinlich dass sich ein Berg-Tal-, Wellenmuster oder überhaupt ein kompletter Hohlschliff einstellt, weil den gleichmäßigen Abtrag zu kontrollieren sehr schwer und reine Gefühlssach ist.

Hältst du dagegen das Eisen abwechseln nach rechts und links geschwenkt egalisieren sich etwaige ungleichmäßigkeiten in jedem Durchgang quasi selbst, es ist deutlich schwerer Berge und Täler oder eine kokplette Krümmung reinzuschleifen. Das ist das selbe Prinzip wie beim Planfeilen einer Fläche oder beim Abrichten mit Handhobeln.

LG Wolfgang

Rolf Richard
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Re: Spiegelseite kann doch schnell gehen!

Beitrag von Rolf Richard »


Hallo Friedrich, hallo Wolfgang!

Bedenken hinsichtlich der Planheit hatte ich auch, aber ein Haarlineal - hier eigentlich zwei - zeigt kein durchscheinendes Licht. Lineal 1 ist von FWB Nr. 303 535 Richard Kell; das zweite ein Haarwinkel DIN 875/00 von Vogel.

Wenn man das Werkzeug kontinuierlich vor- und zurückbewegt entsteht ein sehr gleichmässiger Abtrag. Macht man es zu langsam, kann man tatsächlich so etwas wie "Wolkenstrukturen" erkennen, die aber mit einem leichte Schliff bei kontinuierlicher Bewegung sofort verschwinden. Selbst wenn man solche Strukturen hat ist mit den Haarliniealen/-winkel kein grösseres Problem mit der Ebenheit festzustellen.

Leider war ich heute ungeplant zu viel auf der Autobahn unterwegs um zu weiteren Bearbeitungen in der Werkstatt zu kommen. Morgen ist auch noch ein Tag! Und ausserdem brauchte meine Diva mal wieder Auslauf mit full throttle! :-)

Weitere Versuche werde ich posten.

Gruss
Rolf

Wolfgang L.
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Re: Spiegelseite kann doch schnell gehen!

Beitrag von Wolfgang L. »


Hallo Rolf,

alle Achtung! Wenn ein 00-Haarlineal keinen Lichtspalt mehr zeigt gibt es wohl kaum noch was zu verbessern!

Hast du während dem Schleifen mit dem Haarlineal geprüft und dann entsprechend gezielt hohe Stellen weggeschliffen oder quasi im "Blindflug" über die ganze Spiegelseite möglichst gleichmäßig geschliffen?

LG Wolfgang

Rolf Richard
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Re: Spiegelseite polieren?

Beitrag von Rolf Richard »


Während des Schleifens mache ich nur eine Sichtkontrolle, versuche einfach, das Eisen kontinuierlich gerade vor- und zurück zu bewegen.

Einige neue Erkenntnisse:

- Mit dem Kell-Winkel sehe ich keinen Lichtstrahl, mit dem Vogel an manchen Stellen schon, aber sehr dünn! Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass der Vogel Haarwinkel einfach eine dünnere, präzisere Schneide hat.

- Wenn man das Eisen bewegt so dass die Auflage auf dem Stein in Richtung Schneide wandert, kann man nach Gehör erkennen, wann man die Schneide erreicht. Schliefen auf den Fläche des Eisens ist fast lautlos, an der Schneide entsteht ein feines Geräusch. Möglicherweise, weil die dünner werdende Schneide anfängt zu schwingen. Scheint nützlich zu sein, um die Schneidenverrundung zu vermeiden/minimieren.

- Mit dem polierenden Japanischen Wasserstein kann ich zwar die Spiegelseite bearbeiten, interessanterweise wird sie optisch unschöner als zuvor. Nicht dass sie ungenauer wird, aber ihr Aussehen wird irgendwie "wolkig".

- Ein Eisen habe ich erst mal verhunzt! Ein Schrägbeitel! Man muss sehr genau darauf achten, dass die schräge Schneide gerade über den Schleifstein zeigt, sobald man den Beginn der Schräge erreicht. Das muss ich jetzt rausschleifen!

- Ich habe jetzt mal Eisen von KaBe, Crown, Kirschen und Bracht getestet. Praktisch alle Eisen sind etwas hohl, so wie japanische Beitel, nur sehr viel schwächer. Kommt wahrscheinlich vom Aufspannen beim Schleifen während des Herstellungsprozesses

- Wenige schön: Ein Kirschen Eisen hat einen Bauch!

Und jetzt eine Frage:

Die Spiegelseite muss plan sein um das Eisen exakt zu führen. Soweit klar, aber warum muss sie poliert sein? Das verändert doch letztendlich nur die Reibung - eventuell könnte sie sogar grösser werden.

Gruss
Rolf

Pedder
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Re: Spiegelseite polieren?

Beitrag von Pedder »


Hallo Rolf,

eine Schneide besteht halt aus zwei zusammenlaufenden Flächen und
kann nur so scharf sein, wie die Flächen fein sind. Daher müssen jedenfalls
die ersten mm der Spiegelseite poliert sein.

Ich finde Deinen Versuch spannend. Aber ich kann mir nicht vorstellen wie man
freihändig auf einer Scheibe eine unebene Spiegelseite wieder herstellt.
Deine Spiegelseite war zwar verkratzt, aber ja plan.
Nicht umsonst spannen die großen Firmen ihre Eisen in sehr große teure Maschinen ein.

Liebe Grüße
Pedder


Rolf Richard
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Re: Spiegelseite polieren?

Beitrag von Rolf Richard »


Danke für die Antwort!

eine Schneide besteht halt aus zwei zusammenlaufenden Flächen und
kann nur so scharf sein, wie die Flächen fein sind. Daher müssen jedenfalls
die ersten mm der Spiegelseite poliert sein.


Stimmt sicher, aber die ganze Spiegelseite eher nicht, die muss wohl nur eben sein.

Aber ich kann mir nicht vorstellen wie man
freihändig auf einer Scheibe eine unebene Spiegelseite wieder herstellt.
Deine Spiegelseite war zwar verkratzt, aber ja plan.


Das ist relativ einfach, da die Scheibe ja quer zum Umfang eben ist. Wenn nicht muss man sie in jedem Fall ebnen, auch wenn man "nur" eine Fase schleifen will. Weniger dramaitsch ist das bei Drechselröhren, aber zuviel Unebenheit sollte es auch nicht sein.

Die Spiegelseite war nicht eben, kann man auf dem Photo aber nicht sehen.

Was mir jetzt auffiel ist, dass praktisch alle Eisen die ich inzwischen ausprobiert habe, leicht gewölbt sind, als quasi wie eine sehr flache Röhre. Das kann man gut sehen, wenn man mit dem Eisen das erste Mal über den Stein geht. Da werden fast immer nur die Ränder angeschliffen, die Mitte bleibt erst mal unberührt. Beim zweiten Scliff wird die unberührte Fläche kleiner, verschwindet letztendlich ganz. Mal sehen, ob mir davon ein Bild gelingt.

Gruss
Rolf

Pedder
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Re: Spiegelseite polieren?

Beitrag von Pedder »


Was mir jetzt auffiel ist, dass praktisch alle Eisen die ich inzwischen ausprobiert habe, leicht gewölbt sind, als quasi wie eine sehr flache Röhre. Das kann man gut sehen, wenn man mit dem Eisen das erste Mal über den Stein geht. Da werden fast immer nur die Ränder angeschliffen, die Mitte bleibt erst mal unberührt.


Hallo Rolf,

das entspricht überhaupt nicht meinen Erfahrungen auf flachen Steinen.
Die meisten Spiegelseiten sind eher konvex als konkav, jedenfalls in Längsrichtung.
Kann es sein, das man doch leicht kippelt und deshalb zuerst die Seiten und dann die Mitte geschliffen weren?
Das ergäbe auch dieses Bild.

Liebe Grüße
Pedder

Rolf Richard
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Re: Spiegelseite polieren?

Beitrag von Rolf Richard »


Man kann eigentlich nicht kippeln.

Dass das mit den Eisen schon so seine Richtigkeit hat zeigt der Lichtspalttest mit dem erwähnten Haarwinkel nach DIN 875/00

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