Flachwinkelhobel mit Fase nach unten?

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Boris Ritscher

Flachwinkelhobel mit Fase nach unten?

Beitrag von Boris Ritscher »


Hallo Woodworker,
ich denke schon länger über die Anschaffung eines Flachwinkelhobels nach. Ich habe aber immer noch nicht verstanden warum man die Fase bei diesen Hobeln nach oben macht. Bei einem "normalen" Hobel hat das Bett z.B. 45°, was beim Einbau des Messers mit 30° Fase (nach unten) einen Schnittwinkel von 45° ergibt. Die Freifläche unter der Fase mit Freiwinkel 15° hat keinen Einfluß auf das Hobeln!?
Warum läuft der Hobel dann mit einer 25° Fase am Messer leichter?
Jetzt nehmen wir mal einen Flachwinkelhobel mit 12° Bett, bauen ein Messer mit 30° Fase nach oben ein und stellen fest, daß wir einen Schnittwinkel von 42° haben und einen Freiwinkel von 12° haben. Das Hätten wir mit dem normalen Hobel auch wenn das Bett 3° flacher wäre. Warum also ein Flachwinkelhobel? Nur damit das Eisen weniger rattert? Ich könnte mir also einen Hobel bauen dessen Bett einen Winkel von 40° hat, mit einem Eisen von Stattlicher Stärke bestücken und weiterhin die Vorteile eines Spanbrechers nutzen. Ist der Flachwinkelhobel also keine Frage des Schnittwinkels sondern der "Statik" und Stabilität ???

Helft mir!
Boris


Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Flachwinkelhobel mit Fase nach unten?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Boris,

wenn es dich schon tief in der Nacht umtreibt...
Ich bin auch etwas betreten gewesen, als ich zum erstem Mal einen Hobel mit Fase unten gesehen habe. Inzwischen habe ich mehrere.

Also: Wenn man einen Flachwinkelhobel mit 12° Bettungswinkel und ein Hobeleisen mit 30° Keilwinkel zusammenbaut, dann hat man geometrisch an der Fase in der Tat genau dasselbe wie bei einem 45°- Hobel (Fase unten, Eisen auf 30° geschlärft).

Der Vorteil des Flachwinkelhobels ist dann aber, dass das Eisen viel starrer gebettet ist (bis direkt an der Schneide), und die Schnittkräfte wirken mehr in Längsrichtung des Eisens, daher weniger elastische Verformung, das vermeidet Rattern und ähnliche Erscheinungen. Nachteil: Weil kein extra Spanbrecher, vernünftige Funktion für feinere Arbeiten nur, wenn sich das Hobelmaul sehr fein einstellen lässt.

Ein weiterer großer Vorteil des Flachwinkelhobels ist die mühelose Variierbarkeit des Schnittwinkels. Bei 12° Bettungswinkel erhält man mit einem Keilwinkel am Eisen von 25° einen Schnittwinkel von nur 37°, sehr interessant z.B. für weiches Hirnholz. Das kann der 45°- Hobel nicht. Mit 38° Keilwinkel hat man am Flachwinkelhobel einen Schnittwinkel von 50°. Das kann der 45°- Hobel aber auch, mit einer 2. Fase von 5° an der Spiegelseite.

Das Ganze ist sehr schwer zu bewerten. Was liegt am Prinzip und was an konstruktiven Details (z. B. der Eisendicke)?. Ich habe eine Flachwinkelraubank mit einem 6mm dicken Eisen. Klar, dass da nichts rattert. Möglicherweise würde sich dieses Eisen, mit 45° gebettet, aber genauso gut verhalten.

Die Sache mit dem Keilwinkel und dem Freiwinkel.... Es ist eindeutig so wie Du schreibst, dass ein auf 25° geschärftes Eisen leichter schneidet als ein auf 30° geschärftes. Der Schnittvorgang selbst erfordert also weniger Kraft. Die Kraft wird aber auch durch den Schnittwinkel deutlich beeinflusst (weil davon abhängt, wie stark der Span umgelenkt wird): Mit 45° schneidet ein Hobel deutlich leichter als mit 50°, das fühlt man sofort. Der Freiwinkel muss vorhanden sein. Wie klein er sein darf, weiss ich nicht. Ich hab mal bei einem 12°- Flachwinkelhobel eine zweite Fase (an der Spiegelseite, also unten) angebracht und damit den Freiwinkel auf etwa 5° verkleinert. Ging auch. Er ist eindeutig so, dass die Kraft, die man zum Hobeln braucht, von Keilwinkel und vom Schnittwinkel (beiden) abhängt.

Nuch ein letztes: Mir gefällt an meinen Flachwinkelhobeln besonders, dass das Gefummel mit dem Spanbrecher entfällt.

Friedrich

Bernhard Kühnen

Re: Flachwinkelhobel: Natürlich Fase oben!!!

Beitrag von Bernhard Kühnen »


Hallo Boris, hallo Friedrich,

leider kann ich Euch nicht folgen. Kann mal einer ein Foto von diesem Hobel beifügen?

Vielen Dank

Bernhard

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3208
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

zum Beispiel:

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Bernhard,

Beispiel für einen Flachwinkelhobel mit Fase oben:

http://www.lie-nielsen.com/instructions.html?sheetid=004&cart=107558101713753938

Das ist ein Flachwinkel- Putzhobel mit einem Bettungswinkel des Eisens von 12°.

Friedrich



Boris Ritscher

Re: Flachwinkelhobel mit Fase nach unten?

Beitrag von Boris Ritscher »

[In Antwort auf #98131]
Hallo Friedrich,
danke für deine genaue Beantwortung meiner Frage. Du hast mich überzeugt. Ich brauche auch so einen Flachwinkelhobel.
Gruß Boris

Bernhard Kühnen

Re: zum Beispiel:

Beitrag von Bernhard Kühnen »


Hallo Friedrich,

vielen Dank für die Beschreibung. Ich gestehe, ich mache gerade meine ersten Gehversuche mit "herkömmlichen" Hobeln. Klappt ganz gut - jedenfalls in Nadelholz. Mit Hartholz (Eiche, Buche) muß ich wohl noch etwas üben.

Jedenfalls kommt so ein Flachwinkel-Putzhobel auf meine nächste Geschenkliste.

Gruß
Bernhard

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