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Shaker-Tisch
Verfasst: Fr 14. Nov 2003, 10:02
von Putmans, Jean
Hallo Holzfreunde,
da ich mich mit dem Gedanken trage, einen sog. Shaker-Tisch zu tischlern, habe ich eine Frage.
Bei den Shakertischen wird die Tischplatte aus Brettern zusammengeleimt, anschliessend wird an der Stirnseite des Tisches, also dort wo das Hirnholz sichtbar ist, eine Leiste befestigt, und zwar mit Schrauben und Langlöchern, so dass die Tischplatte weiter arbeiten kann. Soweit, so gut, mein Problem ist, und darüber habe ich bislang nichts gefunden: Wenn die Tischplatte 90 cm breit ist, wird die Leiste 90 cm lang. Was aber passiert wenn die Bretter der Tischplatte schwinden (beim Trocknen) oder sich dehnen (Feuchtigkeitsaufnahme), dann ist doch die Leiste entweder zu lang oder aber zu kurz. Weiss jemand, wie dies gelöst werden kann, oder mache ich irgendwo einen Denkfehler.
Gruss aus Heerlen in den Niederlanden.
Jean Putmans
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Fr 14. Nov 2003, 10:36
von Christof Hartge
Hallo Jean,
aus deiner Beschreibung schließe ich, dass es sich um eine echte Hirnleiste handelt. Was mich wundert, dass sie mit Schrauben und Langlöchern verbunden wird. Das geht auch mit Nut und Feder. Der Leim darf dann nur in die Mitte gegeben werden. Ich habe schon oft alte Tischplatten gesehen, die so konstruiert sind. An diesen Platten sieht man aber auch, was du ganz richtig vermutest: Die Platte wird mal breiter mal schmaler als die Hirnleiste.
Jetzt gibt es zwei Lösungen. Erstens: Du störst dich nicht dran. Zweitens: Du legst die Hirnleiste lediglich als Feder in die Nut des Hirnholzes ein. Dann ist von den Bewegungen der Platte nicht mehr viel zu sehen. Solche Konstruktionen hat man im Biedermeier durchaus gewagt. Aber, aber: dann mußt du wirklich sehr gutes Holz haben und ich bin auch dann nicht sicher, ob es auf die Dauer gut geht. Die Hirnleiste ist die eleganteste Methode eine Brettfläche herzustellen, aber nicht besonders stabil gegen die Windkräfte des Holzes.
Viele Grüße, Christof.
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Fr 14. Nov 2003, 13:26
von Stefan Picker
Hallo!
Habe mal in dem Buch "Making authentic shaker furniture" von John G. Shea nachgeschlagen. Dort wird die Leiste, wenn eine angebracht wird, mit Nut und Feder verbunden. Dort ist aber näher nichts dazu aufgeführt.
Auch in weiteren Bücher zum Thema Shaker habe ich nichts dazu gefunden.
Wenn die willst, scanne ich diesen Bauplan mal und schicke ihn dir per eMail rüber.
Groetjes, Stefan
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Fr 14. Nov 2003, 15:40
von Putmans, Jean
Hallo Stefan, Hallo Christof
Erstmal Danke für die Antworten.
Stefan: vielen Dank für das Angebot, ich darf es aber ausschlagen, da ich schon einen Bauplan habe (Robert Sonday, Shaker Holzarbeiten Bd 2).
Robert Sunday befestigt die Hirnleiste wie folgt:
In der Leiste werden rechteckige Ausnehmungen gestemmt (für das masschinenforum: gefräst) bis etwa 1/2 Leistendicke. In dieser Vertiefung werden dann die Langlöcher angebracht. In den Langlöchern werden dann die (zum Gleiten: gewachsten) Schrauben eingedreht, die die Leiste mit der hirnholzseitigen Tischplatte verbinden.
Danach werden aus einer anderen Holzart Paßstücke gefertigt, die in die rechteckigen Ausnehmungen eingeleimt werden. Dann noch die Leiste verputzen und fertig.
Aber ob nun mit Schrauben oder mit Feder und Nut: Es bleibt das Problem des "Nicht-Passens". Nur dehnbares Holz würde m.E. eine Lösung bringen: Gummibaum? (Ich denke aber, ich interpretiere da Gummi-Baum etwas zu dehnbar!).
Gruss
Jean
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Fr 14. Nov 2003, 16:42
von Christof Hartge
Hallo Jean,
so ist das. Jetzt kommt es aber darauf an, was du erreichen willst. Die Shaker, vermute ich, hätten keine Problem damit gehabt, dass die Hirnleiste den Sommer über mal ein bißchen übersteht. So ist das mit massivem Holz.
Garichts sehen würde man bei Verwendung einer Gratleiste, aber das würde die ganze Konstruktion und das Aussehen verändern.
Viele Grüße, Christof.
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Sa 15. Nov 2003, 08:11
von Putmans, Jean
Hallo Christof,
Da die Shaker gerade auf Perfektion hinarbeiteten, kann ich mir eigentlich kaum vorstellen, daß sie es hingenommen hätten, daß im Sommer die Leiste übersteht.
Ich werde wahrscheinlich die Leiste schlichtweg auslassen.
Im übrigen muß es im modernen Möbelbau eigentlich genau das gleiche Problem geben. In Möbelgeschäften sehe ich regelmäßig aus Brettern zusamengeleimte Massivholztischplatten, die von einem Rahmen mit Gehrungsverbindungen umfaßt sind. Da müßten doch mit wechselnden Feuchtigkietsverhältnissen die Gehrungen auch auseinandergehen. Jedenfalls ist es mir so bei unserem Gartentisch vergangen: Alles paßte wunderbar, bis die Feuchtigkeit in das Holz drang, dann gingen die (zum Glück überplattenen) Gehrungen auseinander. Als Lösung habe ich dann, meranti-farbenen elastischen Kitt verwendet (ist nicht so die reine Holzwerkerkunst, aber hin und wieder muß man mal ein wenig schummeln).
Schöne Grüße aus einem leicht regnerischen Heerlen,
Jean
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Sa 15. Nov 2003, 09:36
von Christof Hartge
Hallo Jean,
leicht regnerisch scheint Europa-Wetter zu sein. Bei uns ist es grau, grau, grau, Deutschland im November.
Nun aber zu etwas erbaulicherem, deinem Tisch. Wenn du die Leiste wegläßt, mußt du dir was anders überlegen, wie du die Platte sperrst, sonst wird sie sich winden und quellen und schwinden, dass es nur so eine Art hat. Alle Massivholzmöbel tun das. Deine Hobelbank, die Tische und Stühle, die Orgeln in den Kirchen, die hölzernen Dachstühle darüber, lassen nicht davon ab Feuchtigkeit aufzunehmen und abzugeben, wie es dem Barometer gefällt. Ein ständiges Quellen und Schwinden, Ächzen und Knarren um uns herum. Auch die alten Shaker konnten das nicht verhindern, sie waren nur, wie alle guten Holzwerker raffiniert darin, daß Arbeiten des Holzes zuzulassen, ohne dass Konstruktion und Aussehen darunter leiden. ich vermute, dass die alten Shaker perfekt darin ware, die Ungenauigkeit einzuplanen.
Nun zu den industriellen Möbelherstellern: Die können das auch nicht verhindern. Bei Tischplatten sind in aller Regel Leisten unter die Tischplatte mit Langlöchern geschraubt, oder es ist sowieso furnierte Spanplatte.
Zu deinem Tisch: Bisher habe ich noch keine richtige Vorstellung, wie dein Tisch mal aussieht. Vielleicht kannst du hier eine Zeichnung schicken, oder schickst mir eine per Mail.
Viele Grüße, Christof.
Eigentlich möchte ich dir Mut machen zur Hirmleiste. es ist nämlich eine sehr schöne Konstruktion, auch wenn man dafür sehr gutes Holz braucht (Trocken und stehende Jahresringe).
Viele Grüße, Christof.
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: So 16. Nov 2003, 17:07
von Jörg Ed. Hartge
Lieber Jean,
es ist wie Christof schreibt: Du kannst sicher sein, dass auch die Shaker die "Ungenauigkeit", wie Du es nennst, hingenommen haben. Dass einzige was Du (mit den Shakern) Dir aussuchen kannst, ist die Länge der Leiste im Anfangszustand. Damit kannst Du festlegen, ob sie immer zu kurz ist (also nie übersteht, wie aus technischen Gründen bei guten Hobelbänken) oder immer zu lang ist (also immer übersteht) oder ob Du den Mittelweg ehst, so dass die Leiste im Herbst und Frühjahr genau passt und ansonsten mal zu lang und mal zu kurz ist.
Du hast recht, es gibt viele moderne Massivholztische ohne Hirnholz- und ohne Gratleiste. Dort ist die Platte mit einer Zarge verbunden. In diesem Fall muss die Zarge die Breitenänderung der Platte zulassen, wofür es drei gebräuchliche Möglichkeiten gibt:
- Langlöcher für die Befestigungsschrauben oder wenigstens genügend Spiel im Loch,
- Nutklötze oder
- elastische Verformung der Zarge (nur bei schmalen langen Platten).
Das ersatzweise Aufreißenlassen der Gratverbindung in der Zarge kann wohl nur eine Notlösung sein. Man weiß vorher nicht, was zuerst reißt: Platte oder Zarge.
Wenn die Platte sehr dick ist (zwar rustikal aber nicht gerade Shaker-Stil) und nicht allzuviel Breite hat, kannst man auch davon ausgehen dass, die Platte sich nicht wirft, sondern nur in der Breite ändert. Dann kann man auf alle die genannten Mechanismen verzichten, indem man die Platte nur mittig fest mit der Zarge verbindet.
Gruß
Jörg
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: So 16. Nov 2003, 17:47
von Putmans, Jean
Hallo Jörg,
Deine Ausführungen in dem letzten Absatz treffen eigentlich genau zu. Anders als beim eigentlichen Shakertisch wird die Platte ziemlich stark sein (etwa 4,5 cm), da der Tisch nicht nur als Eßtisch sondern auch als Arbeitstisch für kleinere Hobbytätigkeiten (Nähen; Elektronik-Bastelei usw.) dienen soll; deshalb schien mir eine etwas kräftigere Ausführung als bei den Shakertischen angebracht.
Ich denke also, daß ich angesichts der von mir beabsichtigten Tischplattenstärke getrost auf die Hirnleiste verzichten kann.
Sollte sich das später als Fehler herausstellen: Neue Tischplatte machen und Hirnleiste nachholen; dann hätte ich wieder etwas dazugelernt.
Gruß,
Jean
Re: Shaker-Tisch
Verfasst: Mo 17. Nov 2003, 22:16
von Christoph Roßdeutscher
Hallo Jean.
In der vorletzten oder drittletzten Ausgabe von Fine Woodworking wurde das Montieren von Verbindungen für wechselnde klimatische Bedingungen beschrieben. Bei Bedarf sende ich gerne den Artikel zu.
Andere Fragen:
1. Welches Holz willst du verwenden? Allein daraus resultieren schon Unterschiede beim Schwinden.
2. Wie groß sollen denn die klimatischen Unterschiede sein. Wenn das gute Stück (45 mm Holzdicke - wau - wie kannst du dir das leisten????) in einem Raum mit +/- 10C steht, geht es, denke ich, auch noch gerade so, ohne sich um den Schwund Gedanken machen zu müssen (kommt natürlich auf´s Holz an).