Erfahrungen mit Stanley 45 / 55 ??

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Berthold Cremer
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Erfahrungen mit Stanley 45 / 55 ??

Beitrag von Berthold Cremer »


Hallo!

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich gedanklich mit Profilhobeln. Vor Monaten habe ich in diesem Forum auch einmal zu überlegen gegeben, ob man einem Simshobel nicht als Rohling einen Profilhobel ansehen könnte. Dabei habt ihr zu bedenken gegeben, daß der Hobel dann kein schmales Hobelmaul mehr hat und wohl nicht funktionieren wird. Das leuchtete ein.

Nun sehe ich immer mit tränenden Augen, zu welchen Preisen bei Ebay Stanley 45, 405 oder 55 verkauft werden. Auch Dieter bietet ja einen Clifton-Nachbau an. Leider zu Preisen, die jenseits der Schallmauer liegen. Mach mal Deiner Familie klar, daß du einen Hobel zu solch einem Preis haben möchtest... Selbst meiner kreativen und verständnisvollen Familie mag ich das nicht zumuten.

Dennoch träume ich davon... Hat ein Stanley 55 überhaupt eine Hobelmaul, was verhindert, daß das Holz ausreißt? Eine Klappe haben die Messer ja offenichtlich auch nicht. Hat jemand Erfahrung mit solch einem Hobel? Wie kann man die profilierten Messer dieses Hobels schärfen? Gibt es gute deutsche Beschreibungen zu diesem Hobel?

Schildert doch bitte einmal Eure Erlebnisse mit Stanley 45 und seinen Kollegen.

Berthold



Recai Riemer
Beiträge: 85
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:17

Re: Erfahrungen mit Stanley 45 / 55 ??

Beitrag von Recai Riemer »


Die Combinationshobel wie u.a. der Stanley 45, 50 oder 55 sind ein Kompromiß und wie bei allen Kompromissen werde Vorteile mit Nachteilen erkauft. Der Vorteil ist die Vielzahl der möglichen Profile, die mit einem einzigem Hobel erzielt werden können. Aber.. und diese Einwände sind je nach Standpunkt mal weniger oder mehr. Zum einen betrifft das die Gefahr des Ausreißens, die Sie selbst ja auch schon angesprochen hatten. Das diese Hobel keine Maul haben, wie dies bei Holzhobeln z.B. der Fall ist, ist natürlich die Gefahr des Ausreißens ungleich größer. Zwar hat Stanley in der Entwicklung des 55er dem mit ein paar kleinen Kontruktionshilfen Abhilfe zu schaffen versucht, doch ist dieses nur beschränkt möglich.
Ersteinmal scheint die Wahl des Holzes von entscheidender Wichtigkeit zu sein. In der Regel werden diese Hobel in Weichholz bessere Egebnis zeigen. Aber auch vom Maserverlauf her besonders gleichförmige Harthölzer wie Nußbaum können gute Ergebnisse zeitigen. Es dürfen eben keine Astlöcher vorhanden sein, zumal auch um diese herum die Faserstruktur sich doch stark verändern kann. Holzhandwerker in früherer Zeit hatten sicherlich da auch größere Möglichkeiten bei der Auswahl des Holzes, und sicher mehr Gelgenheit besonders gleichförmig gewachsene Stücke ohne Äste für solche Spezialverwndungen auszusortieren und zur Seite zu legen.
Das Schärfen von Eisen für Profilhobel ist immer eine Kunst. Dafür gibt es "slipstones" in verschiedenen Profilen als Wasser- oder Ölstein. Das sind Formsteine mit dreieckigen, runden, ovalen oder tropfenförmigen Querschnitten. Wie bei vielem auch ist hier die Praxis es, die den Meister macht. Es ist jedoch ganz entscheidend, daß diese Hobel auf Grund der schwierigen Hobelkonstruktionslage besonders scharfe Eisen haben um optimale Ergebnisse erzielen zu können.
Anfügen sollte man vielleicht auch, daß die Stellung der Schlitten sehr wichtig ist. Diese richtet sich aber nach der Geometrie der zu erarbeitenden Profile. Bei nicht richtiger Einstellung kann es leicht zu einem wackeln des Hobelns und damit zu einem beschädigtem Profil kommen. Es ist also unbedingt zu vermeiden, daß der Hobel ins Schlingern gerät und dafür ist es ebenso wichtig, daß die Anschläge beim Bewegen des Hobels kein Spiel bekommen, dürfen also nie den Kontakt zum Holz verlieren: mit der linken Hand also gut andrücken. Hier erinnert die Handstellung vielleicht ein wenig an das Führen eines klassischen europäischen Holzhobels ohne Horn.
Im allgemeinen gibt es im Internet ein paar gute Seiten, die auch auf Einzelheiten eingehen, in der Regel aber auf Englisch. Diese zu übersetzen und zusammenzufassen dürfte aber nicht schwer sein.
Der heute von Clifton noch angebotene Profilhobel ist in der Tat sehr teuer. Und wenn man diesen einmal von der Nähe betrachtet ist man auch enttäuscht bezüglich der Qualität, insbesondere wenn man den Preis mit in Betracht zieht. Die Qualität des Gußkörpers was saubere Gußformen angeht läßt doch sehr zu Wünschen übrig. Aber das betrifft wohl so ziemlich alle heutzutage noch produzierte Werkzeuge mit Gußteilen. Da bekommt man alte Combinationshobel oft für weniger als die Hälfte.

Dieter Schmid
Beiträge: 668
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Re: Erfahrungen mit Stanley 45 / 55 ??

Beitrag von Dieter Schmid »


Hallo,

da kann ich Recai nur zustimmen. Einerseits sind es beindruckende Konstruktionen, die 45er und 55er, aber eigene Hobelversuche haben gezeigt, daß es doch reichlich mühsam ist - wegen des fehlenden Hobelmauls - wirklich saubere und ausrißfreie Profile damit hinzukriegen. Die Einstellarbeiten dafür sind auch nicht mit unerheblichem Aufwand hinzukriegen.

Ein hölzerner Profilhobel, so einfach und beschränkt er mit seiner Fähigkeit ist, nur ein einziges Profil machen zu können, funktioniert am besten. Wenn man sich beschränkt auf Profile, wofür man einen Flohmarkt-Profilhobel findet, irgendwo am Werkstück eine Leiste als Anschlag anklemmt oder annagelt, hat man m. E. eine gute und brauchbare Lösung.

Wieso sind die 55er Hobel, die heute angeboten werden, so gut erhalten, mit Holzkiste und Etikettierung? Weil sie den meisten Tischlern zu kompliziert waren. Er wurde dann wieder schön eingepackt und den Schrank gestellt.

Allerdings ist der 55er für den, der eine Freude daran hat, sich mit den vielfältigen Eisntellmöglichkeiten auseinanderzusetzen, ein unendliches Feld der Erfahrung. Mein persönliches Fazit: ein Dinosaurier der Hobelentwicklung.

Dieter

Matthias Fraas

Re: Erfahrungen mit Stanley 45 / 55 ??

Beitrag von Matthias Fraas »

[In Antwort auf #93958]
Es wurde hier wohl versucht, die Eierlegende Wollmilchsau zu erfinden, was ja teilweise auch gelungen ist. Allerdings wird das Resultat, welches man mit einem "normalen" Profilhobel erreicht, meist besser sein, als das Resultat eines Kombihobels.

Einen 45er hatte ich wohl schon mal in der Hand, konnte mich aber mit dem "Einstellmonster" nicht anfreunden. Der 55er, der als Weiterentwicklung des 45er gedacht war, ist wohl noch schlimmer. Ich habe zwar keinen, aber folgenden Kommentar dazu gelesen: Zitat "bought it, used it, hated it, sold it".

es wir aber auch hier so sein, dass der eine drauf schwört, der andere nix damit anfangen kann. Ebenso wie bei der Diskussuion Holz- versus Eisen- versus Japanhobel. Zum Teil eben eine Geschmackssache oder auch eine reine Sach der Gwohnheit

Grüße
Matthias Fraas

Christof Hartge
Beiträge: 1258
Registriert: Mi 27. Mai 2020, 19:50

Re: Erfahrungen mit Stanley 45 / 55 ??

Beitrag von Christof Hartge »

[In Antwort auf #93958]
Hallo Berthold,

ich möchte dir auch zu den hölzernen Profilhobeln raten und zwar insbesondere zu den einfachen Kehl- und Hohlkehlhobeln (Hollows and Rounds). Die gibt es für wenig Geld. Die komplizierten Profilhobel sind teuer, schwer zu schärfen und schwer zu richten.

Zusammen mit einem Falzhobel und einem Kratzstock kannst du dir mit Kehl- und Hohlkehlhobeln die tollsten Profile zusammensetzen und sogar die Radien deinen Wünschen entsprechend ziehen oder stauchen. Immer wenn ich mal einen günstigen Hobel sehe, lege ich mir einen zu. Besonders wichtig sind die Radien zwischen 10 und 16 mm.

Wenn ich sehe, wie du Hobel repariert hast, sollte es dir auch nicht allzu schwer fallen, einen Profilhobel nach Wunsch zu bauen. Dazu eine Literaturempehlung: M.J. Whelan: "The making of traditional wooden planes" Astragal Press.

Viele Grüße, Christof.

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