Ein extremes Hohleisen

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Friedrich Kollenrott
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Ein extremes Hohleisen

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

Für das Aushöhlen von tiefen Schalen, Löffeln und ähnlichen Werkstücke braucht man spezielles Werkzeug. Entweder Löffelmesser mit stark gebogener Klinge (wie z. B. bei feinewerkzeuge: Nr. 331420 von Beavercraft, das ich auch habe). Alternativ gebogene oder gekröpfte Hohleisen. Da habe ich schon lange ein gebogenes von Stubai ( Nr, 521620) und für noch engere Höhlungen zwei ältere gekröpfte von Dastra, alle mit der Fase außen, das ist die übliche Art.
Löffel werden oft aus frischem „Grünholz“ gemacht, das sich besonders leicht schnitzen lässt. Ich mache meine Löffel aber aus trockenem, oft ziemlich hartem Holz. Und finde nach einigem Herumprobieren, dass ich dabei mit Hohleisen doch besser zurechtkomme als mit den Löffelmessern, die vor allem dazu neigen, sich beim Schneiden „gegen die Faser“ einzuhaken.
Jetzt habe ich mir ein Eisen angeschafft, wie ich noch keines hatte: Ein gekröpftes Hohleisen mit extrem kurzer, relativ breiter Klinge, deren Schneide aber weniger stark gekrümmt ist (etwa Stich 5 oder 7) als die meiner Dastras, in der Absicht, damit eine glattere Fläche zu erhalten. Dieses Eisen ist nicht von den geläufigen Herstellern, sondern von forged steel tools aus Charkiv, Ukraine, und bei feinewerkzeuge leider nicht erhältlich. Der Preis ist sehr günstig, die Zahlung problemlos und die Lieferung war unerwartet schnell.
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Das Eisen sollte 20mm breit sein, ist aber 24, und recht rustikal handgeschmiedet. Werkstoff ist lt. Hersteller 52100 (105Cr4), hoch kohlenstoffhaltig und niedrig legiert, eigentlich ein typischer Wälzlagerstahl, der aber auch für solche Schneidwerkzeuge sehr gut geeignet ist. Später beim Schärfen zeigte sich: Das Eisen ist sehr hart.
Fase und torusförmige Innenseite (die Qualität der letzteren entscheidet über leichte Schärfbarkeit, sie nachzuarbeiten wäre sicher problematisch) des Eisens sind sehr exakt und sauber geschliffen und poliert. Das Eisen ist im Lieferzustand schon ziemlich scharf. Der Keilwinkel an der Schneide ist ab Hersteller sehr klein, das kenne ich von Stubai auch. Kein Problem, das erleichtert sogar das eigene Schärfen, man schleift eine neue steilere Fase an, die anfangs sehr schmal ist.
Es zeigte sich nach dem Schärfen, dass ein Eisen mit so extremer Geometrie eben auch sehr spezielle Eigenschaften hat. Wie andere gekröpfte Eisen kann es wegen der stark angewinkelten Schneide nicht am Heft geschoben werden, vielmehr muss man am Schaft hebeln oder direkt an der Klinge schieben. Und infolge der relativ flachen Schneidenkrümmung (dieses speziellen Eisens) will es einen recht breiten Span abnehmen, das braucht viel Kraft. Bei noch relativ weichem Holz (Birke) geht es gut, bei härterem (extrem hart: kanadischer Zuckerahorn) eigentlich kaum noch, da ist mein altes Eisen von Dastra mit seiner stärker gekrümmten Schneide besser geeignet (bemerkenwert: Meine Ziehklingen kommen auch mit extrem hartem Holz sehr gut klar).
Die verschiedenen Hohleisen sind im nächsten Bild gegenübergestellt: Gerade, gebogen, gekröpft, und das Neue: gekröpft und extrem kurz und jetzt auch mit einem schöneren Heft.
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Das Schärfen ist auch bei einem so extremen Eisen nicht wirklich schwierig. Das grundsätzliche Vorgehen (ohne Maschine, mit Banksteinen) ist in Kap. 5.3 meiner Schärfanleitung für Stecheisen und Hobeleisen (Schärfprojekt) ausführlich beschrieben und gezeigt, hier nur in Stichworten. Ich richte alle gebogene Hohleisen zum Schleifen/ Abziehen mit einer Winkellehre aus, die die Innenseite in zwei Punkten berührt. Weniger um einen exakten Keilwinkel einzuhalten, sondern vielmehr um die alte Fase wiederzufinden damit man mit wenig Abtrag schärfen kann, das spart Zeit und lässt das Eisen länger leben.
Weil bei diesem Eisen die ausgeschliffene Innenseite so kurz ist (wenig über 10 mm), wird der Abstrand zwischen den beiden Berührungspunkten sehr klein. Die Winkellehre isr nur noch ein Stück Messingprofil 20 x 2 mm mit einer um 25° und einer um 30° angeschrägten Ecke, s. Bild. Die Winkellehre wird auf den Stein gesetzt und der Schneidkeil in den spitzen Winkel geschoben. So ist die korrekte Winkellage gut fühlbar.
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Bei so stark angewinkelten Eisen steht das Heft beim Schleifen/Abziehen fast senkrecht zum Stein. darum lässt sich die Schleif/Abziehbewegung nicht mit nur einer Hand am Heft durchführen. Ich habe herumprobiert und führe es beim Schleifen / Abziehen so (hier auf dem Abziehstein):
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Ich fasse das Eisen ähnlich wie einen dicken Schreibstift mit der rechten Hand an seinem löffelförmigen Vorderteil. Die rechte Hand schiebt nach rechts und links und dreht auch in beide Rechtungen. Die linke Hand hält das hintere (obere) Ende des Heftes und sogt so für eine einigermaßen konstante Winkelstellung.
Natürlich lässt sich ein solches Eisen freihändig nicht so präzise schärfen wie ein gerades. Das muss es aber auch nicht. Für einen halbwegs gleichmäßigen Keilwinkel („nach Augenmaß“ reicht) sind ständiger Blickkontakt zur Schneide und Konzentration das Wichtigste; Husch-husch oder zack-zack geht daneben!
Eine Kontrolle des Schneidenzustandes mit einer starken Lupe hilft, gerade anfangs wenn man noch nicht sicher ist ob man es richtig macht.
Das Schärfen hat folgenden Ablauf:
1. Die Fase wird geschliffen bis ein durchgehender Schleifgrat fühlbar ist (mit dem Fingernagel).
2. Der Schleifgrat wird mit einem selbstgemachten kurzen zylindrischen 6000er Formstein entfernt, den ich in die hohle innenseite des Eisens drücke (s. Schärfanleitung Stech- und Hobeleisen).
3. Die Fase wird abgezogen in einem minimal größeren Winkel (Mikrofase).
4. Der Schleifgrat vom Abziehen wird entfernt.
Anschliessend kann die Schneide noch ganz leicht auf einem Leder poliert werden ( wer einen solchen „Strop“ hat, weiss, wie das geht, also etwa im gleichen Winkel wie beim Abziehen der Mikrofase, aber mit der Schneide, nicht l-r.). Bei Werkzeugen zum Tischlern mache ich das nicht, bei Schnitzwertkzeugen ergibt es aber ein schönes, butterweiches Schneidgefühl.
Eine interessante Variante ist es, auf die Mikrofase ganz zu verzichten und nach dem Entfernen des Schleifgrates (vom 1000er Stein) gleich auf das Polierleder zu gehen, die dann auftretende Polierverrundung an der Schneide kann einer Mikrofase durchaus ähnlich wirken. Ausprobieren!
Zusammenfassend kann man sagen:
Stark gebogene oder gekröpfte Hohleisen sind Spezialisten für enge Höhlungen, nur dafür braucht man sie. Flachere Höhlungen lassen sich viel besser und mit weniger Arbeitsaufwand mit geraden oder nur leicht gebogenen Eisen bearbeiten.
Auch gebogene oder gekröpfte Hohleisen sind nicht wirklich schwierig zu schärfen – wenn man weiss, was man da eigentlich macht und konzentriert zur Sache geht. Voraussetzung ist aber, dass die Imnnenseite sauber ausgeschliffen und unbeschädigt ist, darauf sollte man unbedingt achten beim Erwerb eines solchen Eisens.

Grüße, Friedrich
Bernd Grunwald
Beiträge: 481
Registriert: Mi 5. Sep 2018, 14:21

Re: Ein extremes Hohleisen

Beitrag von Bernd Grunwald »

Hallo Friedrich,

da hast du dir ja ein interessantes und offensichtlich auch hochwertiges Schnitzeisen gekauft. Viel Freude damit!

Beim Schneiden gegen die Faser wird es allerdings genauso einhaken wie jedes andere Schnitzeisen auch. Deshalb stets entweder mit der Faser oder quer zur Faser schneiden, niemals gegen die Faser. Tiefere Hohlformen (Löffel und Schalen etc.) lassen sich meiner Meinung nach am Besten quer zur Faser schnitzen. Dann hakt nichts ein, und der Schnitt kann eigentlich immer durchgezogen werden (bis der Span fällt).

Wenn man mit einer Hand schnitzt und mit der anderen Hand das Werkstück hält, sind die gebogenen Löffelschnitzmesser das Mittel der Wahl. Ist das Werkstück dagegen eingespannt, geht das Schneiden der Hohlform mit einem Hohleisen besser, denn das kann mit beiden Händen (ggf. auch mit Klüpfel) kraftvoll geführt werden und kann deshalb auch deutlich tiefer schneiden.

Man kann auch immer wieder mal zwischen Löffelschnitzmesser und Hohleisen wechseln. Das hilft gegen einseitige Belastung der Muskulatur.

Gruß
Bernd
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Uwe.Adler
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Registriert: So 27. Dez 2020, 22:52

Re: Ein extremes Hohleisen

Beitrag von Uwe.Adler »

Hallo Friedrich,

https://www.youtube.com/watch?v=aq58iGFQnco

als erster Beitrag zeigt der japanische Löffelschnitzer seine Werkzeuge, auch in der Anwendung. Die Anwendung der Höhlungseisen hat mich sehr angesprochen.
Deine Werkzeuge gefallen mir in der Formgebung sehr. Sehr harmonisch.
Herzliche Grüße

Uwe
Bernd Grunwald
Beiträge: 481
Registriert: Mi 5. Sep 2018, 14:21

Re: Ein extremes Hohleisen

Beitrag von Bernd Grunwald »

Hallo Uwe,

danke für den Hinweis auf das Video. Die Klemmvorrichtung ist eine gute Idee. Einfach reinstecken. Der Druck des Messers hält den Rohling fest. Das werde ich nachbauen, allerdings auf einem Brett, das auf der Hobelbank fixiert werden kann. Schnitzen im Schneidersitz ist nichts für mich...

Gruß
Bernd
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