Knochenleim, meine Erfahrungen und Kenntnisse *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Uwe Salzmann
Beiträge: 180
Registriert: Sa 11. Mai 2019, 05:57

Knochenleim, meine Erfahrungen und Kenntnisse *MIT BILD*

Beitrag von Uwe Salzmann »


Hallo Holzwerker,

da dieses Thema auf Interesse stößt und umfangreich ist, mache ich mal einen neuen Beitrag auf.

im Folgenden gebe ich meine Erfahrungen bei der Verarbeitung von Knochenleim wieder, dazu was ich aus der Literatur weiß und was mir mein Vater früher darüber erzählte.
Er erlernte den Beruf des Tischlers ab 1946. Mein Großvater war selbständiger Möbeltischler vorm 2. Weltkrieg und kam aus diesem nicht zurück.

Im Jahr 2010 fand ich beim aufräumen der alten Werkstatt einen Vorrat an Knochenleim in Tafelform. Dieser Werkstattraum diente nur zum Verleimen, der Leimofen ist auch auf dem Bild zu sehen.

http://hw.roesch.de/Bilder/B4447.jpg

Damals dachte ich, der Leim reicht für mein Leben, inzwischen ist er alle und ich habe verschiedene Andere verwendet.
Dieser Tafelleim stammt noch von meinem Großvater aus den 1930iger Jahren. Nach dem Einweichen und Verflüssigen durch Erwärmung entwickelte er nur geringen Geruch und ich hatte nur selten mal mit Schimmel zu tun.
Der Nachteil, diese Tafeln waren relativ groß und dick, so dass das Einweichen manchmal 48 Stunden und länger dauerte. Da habe ich dann zwischenzeitlich die schon weichen Ränder abgeschnitten und verwendet. Also schnell mal Leim fertig machen war da nicht.

Als die Tafeln verbraucht waren benutzte ich Perlleim, den ich mir übers Internet bei verschiedenen Anbietern kaufte.
Ach war das herrlich, das Einweichen war jetzt in 20 bis 30 min erledigt. Dann kam aber die Enttäuschung, dieser Leim stank regelrecht und verschimmelte bei Nichtbenutzung schon nach wenigen Tagen. Das war nach einiger Zeit nicht mehr akzeptabel, denn es war immer wieder und bei allen Anbietern so.

Ich habe den übrig gebliebenen Leim auch nie verschlossen oder sonst welche Experimente gemacht, das war mir viel zu umständlich mit meinem Leimtopf.

Nun suchte ich wieder nach Tafelleim und fand einen Anbieter der ihn in Bruchstücken verkauft. Dieser Leim ist auch in wenigen Stunden eingeweicht, der Geruch hält sich in Grenzen und er ist noch nie verschimmelt, auch nach 3 Wochen offen dastehen nicht. Durch die Bruchstücke kann ich auch besser dosieren wie viel Leim ich vorbereite.



Nun etwas zum Leimtopf, zum erwärmen und was hält der Leim für Temperaturen aus.
Anfänglich benutzte ich ein großes Glas im Wasserbad auf einer Kochplatte, dann kaufte ich mir einen gußeisernen Leimtopf. Säubern tue ich ihn nur in größeren Abständen wenn die Leimreste am Rand zu groß und werden. Ansonsten kommt der neue gequollene Leim einfach zu dem Rest der noch drinne ist dazu.



Mit diesem bin ich sehr zufrieden, er hält die Temperatur sehr lange. Dadurch kann ich ihn auch mal eine ganze Weile von der Herdplatte nehmen und ihn dort hin stellen wo ich ihn gerade brauche.
Die Temperatur kontrolliere ich mit einem Thermometer welches man für Fleisch benutzt.



Glutinleime vertragen eine lang anhaltende Temperatur nur bis 60°C. Ihre Bindekraft verlieren sie allerdings erst durch längeres erhitzen auf 100°C. Mir ist die Temperatur auch schon mehrmals auf 70°C und darüber ausgerissen und es ist nichts passiert.
Seine Bindekraft verliert der Leim auch durch Schimmelpilze. Warum das so ist kann alles in der Literatur nach gelesen werden. Ich biete sie nochmal allen Interessierten an.

Um die richtige Temperatur zu beurteilen benutze ich allerdings nicht immer das Thermometer. Wenn der Leim als dünner Faden vom Pinsel oder Rührstab fliest passt die Temperatur in der Regel auch.

Nun kommt das Verleimen mit Knochenleim und die Besonderheiten die es zu beachten gilt.
Die angebotene Literatur erklärt hier sehr gründlich was mit dem Holz und dem Leim vor sich geht. Das kann und will ich nicht alles mit eigenen Worten wiedergeben.
Jedenfalls ist das Erwärmen ganz wichtig und entscheident.
Holz ist allerdings ein sehr schlechter Wärmeleiter und das kurze Erwärmen mit der Heißluftpistole reicht eigentlich nicht aus. Ich mache es hin und wieder, wenn es nicht anders geht, aber auch.

Schauen wir doch mal in die Vergangenheit, wie haben es unsere Spezies früher gemacht.
Zum Verleimen gab es in der Regel einen gesonderten Raum, der ordentlich eingeheizt wurde. Über dem Leimofen gab es dann noch ein Gestell auf dem die zu verleimenden Teile lagerten und über längere Zeit vorgewärmt wurden. So konnte das Holz, dessen Poren und Faseröffnungen wirklich durch und durch erwärmt werden.
Oft war dann das Verleimen von Holzkonstruktionen auch noch Teamarbeit.
Was ich damit sagen will, ist, dass es schnell gehen muss, damit der Leim nicht schon am Pinsel geliert. Denn er muss flüssig sein um von den durch die Wärme geöffneten Poren aufgesaugt zu werden. Zusätzlich wird dann noch abgepresst.
Für uns Hobbyisten, also diejenigen die das nicht gewerbsmäßig betreiben ist dies der schwierigste Teil bei der Verleimung mit Knochenleim. Die idealen Bedingungen kann man nicht so einfach mal in seiner Kellerwerkstatt oder in der Wohnung schaffen.
Ich benutze dafür einige Hilfsmittel. Man kann Holzteile zB auch auf einem Heizkörper lagern um sie vorzuwärmen.
Für kleine Teile benutze ich so eine Warmhalteplatte aus der Gastronomie.



Für etwas größere Teile habe ich mir eine Vorrichtung gebaut. Dazu sind 6 Infrarotlampen mit Fassungen auf einer Platte befestigt und verdrahtet. Über einen Drehschalter lassen sich 2 ode 4 oder alle 6 einschalten. Diese Platte hänge ich dann über die zu erwärmenden Holzteile.



Und schließlich das von uns am meisten benutzte Hilfsmittel, die Heißluftpistole. Die halte ich dann aber lange drauf bzw bewege sie über die Fläche.

So, Diskussion und Fragen frei gegeben.

Liebe Grüße Uwe



reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Knochenleim, meine Erfahrungen und Kenntnisse

Beitrag von reinhold »


hallo Uwe,
soweit einverstanden.

Nur zur Ergänzung:
meine Werkstatt ist nicht heizbar.
Im Winter nehme ich die zu verleimenden Teile in die Küche (muss vorher bei der "Chefin" angemeldet werden) und drehe dort die Heizung auf.
Kleinere Teile kann ich auch in die "Röhre" des Kachelofens schieben, die Temperatur muss scharf überwacht werden, klappt aber recht gut.
Kleinere Verbindungen behandle ich lokal mit dem Bügeleisen.

Deine Idee mit den Wärmestrahlern ist spitzeklasse - ich werde mir etwas ähnliches basteln. Danke !

viele Grüsse
reinhold

MaxS
Beiträge: 1549
Registriert: Sa 21. Jun 2014, 02:52

Re: Knochenleim, meine Erfahrungen und Kenntnisse

Beitrag von MaxS »


Hallo Uwe,

vielen Dank für Deinen ausführlichen Beitrag. Nachdem Knochenleim bei mir bisher nur bei kleineren, speziellen Arbeiten zum Einsatz kommt, arbeite ich immernoch mit der bewährten Kombination aus Gläschenwärmer und Konservenglas. Das ist für meine Zwecke ausreichend und außerdem recht kompakt, aber kaum für größere Mengen geeignet,
Nachdem ich vor einiger Zeit einen größeren Posten Leimgranulat günstig erwerben konnte, arbeite ich damit. Der Geruch ist zwar merklich, aber nicht zu extrem; vermutlich ist es normaler Knochenleim. Mit Schimmelbildung hatte ich bis dato keinerlei Probleme - egal, ob der besagte Knochenleim, historischer oder moderner Hautleim zur Anwendung kam. Wenn ich den Leim länger nicht benötige, dann verschließe ich das Glas aber in der Regel mit dem zugehörigen Deckel. Der ist ja sowieso da, also kann man ihn auch nutzen.

Was die Temperaturen betrifft; Volle Zustimmung,

Die Anwärmgeräte sind wirklich prima, vielen Dank für die Ideen! Bei mir kam bei ein wenig größeren Flächen teils auch ein alter Haarfön zum Einsatz, weil der sanfter ist und die warme Luft weniger konzentriert ausbläst. Eine Erwärmung über Kontakt oder IR-Strahlung scheint mir aber deutlich praktischer und schonender fürs Material zu sein.

Viele Grüße
Max

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Knochenleim: Warum kein Fischleim?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »

[In Antwort auf #155536]
Hallo,

die ausführlichen Knochenleim- Diskussionen der letzten Zeit zeigen mal wieder, welcher Aufwand erforderlich ist, um den Leim und die zu verleimenden Stücke zu erwärmen.

Das alles entfällt wenn man Fischleim benutzt, was ich gern tue (wenn die Verleimung nicht feuchtigkeitsbeständig sein muss). Fischleim wird kalt verarbeitet.

Warum quält Ihr Euch mit dem Knochenleim? Spricht (wenn man einen organischen Leim benutzen will, was ja löblich ist) irgendwas gegen Fischleim? Ich verstehe es wirklich nicht, helft mir weiter.

Grüße, Friedrich



MarkusB
Beiträge: 1195
Registriert: Mo 15. Mär 2021, 07:21

Re: Knochenleim, meine Erfahrungen und Kenntnisse

Beitrag von MarkusB »

[In Antwort auf #155536]
Hallo Uwe,

vielen Dank für den sehr erhellenden Beitrag.
Ich werde bei meiner nächsten Knochenleim Verleimung sicherlich vorher noch mal reinschauen.

Viele Grüße

Markus

MarkusB
Beiträge: 1195
Registriert: Mo 15. Mär 2021, 07:21

Re: Knochenleim: Warum kein Fischleim?

Beitrag von MarkusB »


Hallo Friedrich,

ist Fischleim denn auch so reversibel wie Knochenleim?

Viele Grüße

Markus

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Knochenleim: Warum kein Fischleim?

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


ÄÄh--- Was meinst Du mit reversibel? Dass man Verbindungen wieder lösen kann? Hab ich nie gemacht, aber der Fischleim ist sicher durch Feuchtigkeit wieder ztu erweichen. Ich probier das mal aus, morgen weiss ich mehr.

Grüße, Friedrich

David
Beiträge: 142
Registriert: Di 22. Jun 2021, 11:31
Wohnort: Rhein-Sieg

Re: Knochenleim: Warum kein Fischleim?

Beitrag von David »

[In Antwort auf #155539]
Das ist ja mal wieder ein "rabbit hole" :)

Zunächst muss man wohl unterscheiden zwischen Fischhautleim und Hausenblasenleim (engl. Isingglas), wir reden von ersterem. Ich habe leider noch nicht damit gearbeitet, daher das folgende reine Theorie die ich mir angelesen habe; mit Haut- und Knochenleim als Heißleim arbeite ich allerdings bereits seit einiger Zeit.

Ein Nachteil des flüssigen Leims ist schonmal, dass er meines Wissens nicht bei Frost versendet wird ;-) 2 Jahre soll die Lagerfähigkeit betragen, Hersteller geben mindestens 1 Jahr an. Haut- und Knochenleim in Trockenform ist quasi unbegrenzt haltbar.

Von dem was ich so gelesen habe, wird der Fischleim im Vergleich mit Haut- und Knochenleim eine etwas weniger starke Haltekraft aufweisen. Ich nehme an das ist der Hauptnachteil, der in vielen Fällen aber kaum eine Rolle spielen wird. Laut Stephen A. Shepherd (Hide Glue, Historical & Practical Applications) ist Fischleim etwas wasserbeständiger und kann zu diesem Zweck wohl Haut- und Knochenleim zugesetzt werden. Trotzdem ist der Leim mit Wasser und Wärme reversibel. Haut- und Knochenleim fällt allerdings auch nicht auseinander wenn mal etwas Wasser dazu kommt. Fischleim soll schneller "greifen" (engl: tack), sollte aber dennoch 12h in den Zwingen bleiben und nach 24h durchgetrocknet sein.

Wer sich da noch weiter vertiefen will, hier habe ich ein paar vielversprechende Quellen gefunden:
- https://www.researchgate.net/publication/272311539_Animal_glues_a_review_of_their_key_properties_relevant_to_conservation
- https://majikkunotecho.wordpress.com/2018/12/19/fish-hide-rabbit-glue-data-overload/
- https://journeymansjournel.wordpress.com/2017/05/20/all-about-fish-glue-and-hide-glue/

Viele Grüße,
David

MarkusB
Beiträge: 1195
Registriert: Mo 15. Mär 2021, 07:21

Re: Knochenleim: Warum kein Fischleim?

Beitrag von MarkusB »


Hallo Friedrich,

Dass man Verbindungen wieder lösen kann?

Ja, und

der Fischleim ist sicher durch Feuchtigkeit wieder ztu erweichen


Ich finde es sehr vorteilhaft, wenn ich den Leim mit ein bisschen Wasser und wärme aufweichen kann und mit einem Lappen wegwischen kann.
Eine Verbindung musste ich so bislang noch nicht reparieren, aber ich habe auch erst sehr wenig Erfahrung mit Knochenleim.
Beim Leimvorgang selber ist es auch sehr angenehm, wenn ich Tropfen und Verschmierungen mit einem Lappen einfach wegwischen kann.
Mal ganz abgesehen davon, gehen Knochenleimflecken beim Waschen auch wieder aus der Kleidung.

Viele Grüße

Markus

reinhold
Beiträge: 1793
Registriert: Do 17. Sep 2020, 16:38

Re: Knochenleim: Warum kein Fischleim?

Beitrag von reinhold »

[In Antwort auf #155539]
hallo Friedrich,

ich verwende unter anderem auch Fischleim. Allerdings nicht für Holzverbindungen, sondern eher für kleinere Reparaturen. Abgesplitterte Ecken und so, bei denen es sich nicht lohnt, extra den Leimkocher anzuwerfen.
Und ja, er ist durch Wasserdampf wieder lösbar. Feuchtes Tuch drüber + Bügeleisen.

Sein hauptsächlicher Nachteil: er wird durch Verdunsten des enthaltenen Wassers fest, bzw. durch Abgabe der Flüssigkeit an das Holz, er trocknet also. Und so lange müssen die Teile irgendwie fixiert werden.

Haut/Knochenleim zieht dagegen sehr schnell an, weil er durch Wärmeabgabe geliert, er ist also so eine Art Schmelzkleber. Und das geht sehr schnell. Wenn man ihn in traditioneller Weise anreibt, hält er in Sekunden. Natürlich dauert es danach Stunden, bis er durchgehärtet und belastbar ist.

Mein Fazit: beide Leime haben ihre Vor- und Nachteile.
Versuche zur Haltbarkeit der Verbindungen habe ich noch nicht angestellt. Gefühlsmäßig tendiere ich dazu, den Haut/Knochenkleber für stärker belastbar zu halten.

Mein Rat an alle: kauft euch mal eine kleine Tube Fischleim (6,40€ für 100 ml), das kostet nicht die Welt und sammelt eure eigenen Erfahrungen.
Ich glaube, Experimente mit Hausenblasenleim verbieten sich schon wegen des Preises von 58,80 € für 100gr.

schönes Wochenende
reinhold


Antworten