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Wohnzimmerwand

Verfasst: Fr 24. Jun 2005, 22:11
von Walter Heil

Hallo,

hier zeige ich mein bisher umfangreichstes Projekt, sprich dessen Ergebnis. Es ist eine Schrankwand oder Wohnwand oder wie immer man das nennen mag. Im Stil sollte sie zu dem bereits vorhandenen Mobiliar wie Hirnholztisch, zwei Couches und zwei Sessel im skandinavischen Stil passen. Die zu möblierende Wand ist 3,60 und 2,50m breit. Eine durchgehende geschlossene Schrankwand war mir zu aufwändig und für meinen Geschmack erdrückend und konnte nur langweilig wirken, dazu ein Eckschrank mit Platz für eine Leiche dahinter ist auch nicht mein Fall. Schließlich stand Franz Karg mit seinem Buch "Massivholzmöbel" Pate, wer's kennt, merkt's schnell. Weitere Randbedingung war, dass das Haus ein Fachwerkhaus mit innen sichtbarem Fachwerk ist, daher musste sich das Möbel an die Fachwerkteilung von 1,25m halten (wenn es denn schon kein das Fachwerk vollständig zudeckendes Möbel werden sollte). Ein technischer Grund, den ich schonmal angeführt habe, ist die Vermeidung langen Holzes, besonders bei Holzarten, die das nicht gut hergeben. Eine Illusion blieb die Vorstellung, dass das Kirschholz zur Esche einen Kontrast bilden würde. Daraus wurde, wie man sieht, nix.

Ausführung: das Gestell ist aus Esche, die Korpusse und Einlegeböden aus Süßkirsche, die Türen und Rückwände aus Wildkirsche. Das Gestell ist teilweise offen gezapft, die Korpusse sind mit Fingerzapfen aus Brettflächen gemacht. Die Innenwände der Korpusse sind eingegratet und von hinten eingeschoben, die Einlegeböden liegen auf Holzdübeln, die in die Wände eingebohrt sind. Die Rückwände sind gestemmt, aber nicht von Hand, die Füllungen eingenutet. Die Türen sind ebenfalls gestemmt, die Füllungen liegen im Falz und werden von eingeschraubten Leisten gehalten, das, weil es damit noch die Option von weiteren Glasfüllungen gibt. Verwendet wurden Zysa-Scharniere, da bei dieser Bauweise nach meiner Ansicht sichtbare Scharniere nichts zu suchen haben, ebensowenig wie Griffe. Diese werden durch Einfräsungen an den Türen ersetzt. Die Gestelle von unteren und oberen Korpussen sind nur mit Dübeln als Passstifte aufeinandergestellt, eine kleine Sperrholzplatte mit schwarzer Kante trennt die beiden Gestelle. Die Korpusse werden in den Gestellen nur durch eine kleine Schraube (pfui!) gehalten. Die oberen Gestelle sind an der Wand (Fachwerkpfosten) mit einem Winkel angeschraubt. In der Ecke sind die Gestelle von hinten mit Holzdübel zum Einschlagen verbunden. Die Schubladen laufen auf Vollauszügen von Hettich, die Schubladen mit Fingerzinken, das Frontstück aufgedoppelt. Arbeitszeit: zusammengerechnet ein Jahr mit abends zwei Stunden und dem ganzen Samstag. Gesamte Bauzeit war deutlich länger.

Maschinen: meine alte Dreifachkombi von Lorenz und Kirsten und meine namenlose Hobelmaschine. Handbandschleifer und Bohrmaschine sowie Oberfräse als wesentliche Handmaschinen. Dazu kamen noch Vorrichtungen für die Fingerzapfenarbeiten.




















Re: Wohnzimmerwand

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 05:36
von Edi Kottmair

Hallo Walter,

absolut perfekt in jedem Detail. Das gefällt mir echt super. Gut geplant und ausgeführt. Perfekte Holzauswahl. Die Scharniere sind dezent und unaufdringlich (die Riesen-Topfscharniere verwende ich auch schon lange nicht mehr). Die Zinken sind schön. Die Griffmulden finde ich auch super.
Hast Du vielleicht noch ein Foto von einer offenen Schublade?
Dein Möbelstück gehört zum besten, was ich hier gesehen habe.

Viele Grüße von
Edi


Wunderschön...!

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 10:01
von Ulrich Lanz

...nur: Dein Prachtstück vermiest mir ja richtig den Anblick unserer Simpel-Kieferregale eines bekannten schwedischen Möbelhauses - und schon steht wieder ein neuer Punkt auf der To-do-Liste...

Viel Freude im Anblick dieser schönen Wohnzimmerwand!

Uli


Klasse! *NM - Ohne Text*

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 10:07
von Heinz Roesch

Re: Klasse!

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 13:05
von Andreas

Respekt! Ich habe noch zwei Fragen: Einmal zur Arbeitszeit - also 365 * 2h, oder wie ist das zu verstehen? Und dann zu den Zysa-Scharnieren: Das ist für Dein Projekt wirklich die Beste Lösung - ich finde als Bezugsquellen aber nur Motorrad- und Campingzubehörhändler. Was hat es mit diesen Scharnieren auf sich?

Gruss
Andreas


edel

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 16:00
von Berthold Cremer
[In Antwort auf #15388]
Hallo Walter!

Bin begeistert! Die perfekte Ausführung.
Es trifft zwar nicht so sehr meinen Geschmack, aber das hat nichts mit meiner Anerkennung der Leistung zu tun.
Einfach großartig und edel.

Gruß
Berthold


Und die Oberflächenbehandlung der Kirsche?

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 22:15
von Andreas

Ich habe noch eine Frage: Wie ist denn die Kirsche oberflächenbehandelt? Sieht richtig gut aus.

Neugierig
Andreas


Scharniere

Verfasst: Sa 25. Jun 2005, 23:35
von Urs
[In Antwort auf #15393]
Hallo Andreas

Diese Scharniere gibt's auch bei den Möbelbeschlägen, z.B. hier:

http://www.opo.ch/cgi-bin/opo.storefront/42bdcb780072e81227170a00001405f0

Das ist zwar eine Firma in der Schweiz (bei mir um die Ecke), sie hat aber einen Ableger in Deutschland (ich habe keine finanziellen Interessen).

Ich habe bis jetzt noch keine solchen Scharniere gekauft, aber aus Abfallmöbeln welche "gerettet" und für ein kleineres Projekt wiederverwertet. Erstaunlich ist die Stabilität dieser recht zierlichen Scharniere.

Gute Nacht

Urs


Re: Und die Oberflächenbehandlung der Kirsche?

Verfasst: So 26. Jun 2005, 18:13
von Franz Kessler

Hallo Walter
Bin begeistert von deinen Möbeln, sieht echt gut aus, wenn du ähnlich gestrickt bist wie ich, dann sehe ich dich zufrieden vor deinen Möbeln sitzen und in aller stille jedes Dedail noch einmal durchgehen, wir haben einfach ein schönes Hobby.
Ich endeckte auch zwei Teller von der Serie Obernai, dieses Geschirr wird bei uns im Nachbarort (Frankreich) hergestellt, passt gut zu deinen Möbeln, ist mein liebstes Geschirr. Bis zur nächsten Vorstellung.
Gruß Franz


Re: Wohnzimmerwand

Verfasst: Mo 27. Jun 2005, 08:08
von Ralf E
[In Antwort auf #15388]
Hallo Walter,

sehr schöne Arbeit. Das Problem mit dem Fachwerk ist besonders gut gelöst.

Gruß

Ralf