Hallo, zusammen,
mit großem Interesse habe ich die bisherige Debatte verfolgt und möchte nunmehr meine Ansichten einbringen.
Zu Beats Aussage
"Es mag utopisch klingen, aber ich glaube, es wird eine Zeit kommen, da wird ein traditioneller Handwerker das verdienen, was heute ein Computer-Spezialist verdient. (damit will ich diese Leute nicht diskriminieren, soll nur als Beispiel dienen) Das denke ich wenigstens, erleben werde ich es auch nicht mehr." fällt spontan folgendes Zitat von John Seymour ein:
"Ob die Menschheit einfach genug bekommt von der langweiligen, niedrigen Arbeit, bei der häßliche, überflüssige Produkte entstehen, oder ob die Beschränkungen, die uns die schwindenden Rohstoffvorräte unseres Planeten auferlegen, die Lemmingwanderung zur Klippenkante stoppt - wenn die Menschheit auf irgendeiner Stufe echter Zivilisation überleben wird, wird der Handwerker wieder triumphieren."Die Frage, die ich mir stelle, ist die Frage nach Ursache und Wirkung.
Was gab es zuerst? Einen Handwerker, der eine Methode fand, billigere Möbel herzustellen, seinen Betrieb vergrößerte, Mitarbeiter durch Maschinen ersetzte und dessen Handwerksbetrieb letztlich zur Fabrik wurde.
Oder kamen Konsumenten eines Tages auf die Idee, dem teuren Handwerker den Kampf anzusagen, weshalb sie beschlossen, ihn in die Knie zu zwingen, indem sie keine Produkte mehr in Auftrag gaben.
Vermutlich kann sich weder die eine noch die andere Theorie zur Gänze behaupten. Und wie immer bei komplexen Entwicklungen werden auch vielfältige Einflüsse und Strömungen zum heutigen Zustand geführt haben.
Aus historischer Perspektive betrachtet, kann wohl in den wenigsten Fällen behauptet werden, dass die ersten Fabriken einfach so aus dem Boden schossen. Das damals wie heute notwendige Fachwissen konnte nur von ausgebildeten Arbeitskräften bereitgestellt werden. Man darf also annehmen, dass sich die ersten erfinderischen (innovativen, wie man heute zu sagen pflegt) Handwerker der Spirale, die sie mit dem Einsatz von auf schnellere, vereinfachte Fertigung abzielende Methoden beeinflussten, gar nicht bewusst waren.
Erst heute wird uns in Ansätzen deutlich, dass die Optimierung von Arbeitsprozessen, die Vereinfachung der Herstellung, der Einsatz von Rastern, Baukastensystemen etc. teils dazu führte, dass manche Handwerksbetriebe in Fabriken ausarteten, die eine Vielzahl von Konsequenzen für Konsumenten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer in sich bargen.
Keine Frage, auch die Errungenschaften unseres Sozialsystems, auf das wohl kein einigermaßen vernünftiger Zeitgenosse verzichten möchte, haben in gewisser Weise dazu geführt, dass handwerkliche Arbeit teuerer ist.
Doch eine Tatsache ist von allen bis jetzt erwähnten Faktoren unbeeinflusst. Nämlich jene, dass sich das Handwerk in gewisser Weise selbst das Leben schwer macht. Von einem Handwerker, der mit persönlicher, individueller Betreuung wirbt, darf man nicht nur ein hochwertiges Produkt, sondern auch ein tadelloses Service erwarten. Aus eigener Erfahrung kann ich von verschiedenen Fällen berichten, in denen vereinbarte Termine mehrmals ignoriert wurden, in denen Handwerker falsches, unpassendes Werkzeug mitbrachten, .... Natürlich kann so etwas einmal passieren, aber wenn ich mich nicht irre, gibt es in der Marktforschung eine Faustregel, die besagt, dass ein zufriedener Kunde seine positiven Eindrücke wenigstens einer weiteren Person vermittelt, ein unzufriedener Kunde jedoch in der Regel bis zu zehn anderen (potentiellen Kunden) sein Leid klagt.
Weiters dürfte die Handwerker untereinander, wie auch aus anderen Beiträgen bereits hervorging, viel zu wenig Zusammengehörigkeitsgefühl empfinden. Wenn man zumindest nach außen eine geschlossene Einheit demonstrieren kann, ist schon viel gewonnen oder zumindest nur wenig verloren.
Darüber hinaus habe ich den Eindruck, dass man den Konsumenten schon seit langer Zeit suggeriert, wie uncool, out und unsexy es ist, über einen längeren Zeitraum mit ein und demselben Gegenstand zu leben. Beispiele dafür findet man in allen Bereichen des Lebens, z. B. Mode, Auto, ...., und nennen wir es Wohnen. Wieso sollte jemand Geld für eine feine, hochwertige Einrichtung ausgeben, wenn sie schon in drei Jahren nicht mehr in und up to date ist?! Sicher gibt es gottseidank Leute, die nicht den vorgegaukelten Trends erliegen. Wenn man wie in z. B. in den USA nicht selten auf klassische Stilrichtungen Wert legt, kann man sich vor den permanenten Richtungsänderungen der Mode in mancher Hinsicht schützen. Denn ein Victorian chair oder ein Mission style cabinet bleiben auch in dreißig Jahren, wenn sie solide gebaut waren, ein Victorian chair und ein Mission style cabinet. Aber der Schrank in Ahorndekor mit graublauen Farbakzenten und Chrombeschlägen ist schon in zwei Jahren alt, wenn man den Mahagoni Schrank mit den Messinggriffen im Schaufenster sieht. Selbstverständlich ist in den USA nicht alles eitel und Wonne, aber klassische Stile haben einen entschiedenen Vorteil: Sie sind klassisch, was nicht zuletzt zeitlos bedeutet.
Meinen persönlichen Geschmack treffen die geraden und schlichte Formen übrigens ausgezeichnet und ich muss Stefan zustimmen. Wenn ein Möbel besonders schlicht (Bauhaus, Shaker) gestaltet ist, verlangt es dem Handwerker umso mehr Sorgfalt und Präzision ab. Denn nichts könnte von falschen Proportionen oder Fehlern ablenken.
Wenn man diversen Erzählungen und Dokumentationen Glauben schenkt, ist man geneigt, zu denken, dass der alte Handwerker nicht auf das große Geld abzielte, wie es ihm Beat (und in ähnlicher Form auch ich) gerne zugestehen würde. Man gewinnt hingegen, den Eindruck, dass das Handwerk zumindest für manche nicht bloß Aufgabe und Arbeit war, sondern auch eine das Leben erfüllende Beschäftigung, der man sich mit Liebe und einem historischen Bewusstsein hingab. Diese Vorstellung mag in der Vergangenheit romantisiert worden sein, aber ich hoffe, dass ein wahrer Kern in ihr steckt. Zweifellos darf man auch nicht verschweigen, dass es immer schlechte Handwerker gab. Aber entweder waren es früher weniger oder die Geschichte weiß uns auf kluge Weise zu täuschen.
Und auch wenn ich, wie ich bereits beteuert habe, keine Lobeshymne auf das amerikanische Wirtschaftssystem, die Einstellung zum Handwerk oder auf andere Haltungen und Perspektiven anstimmen will, so möchte ich doch ganz dezent auf C. John Heberts Website verweisen.
http://www.cjohnhebert.com/Herzliche Grüße und fröhliches Werken!
Christian