Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

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Philipp
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Registriert: Mi 21. Nov 2012, 14:14

Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Philipp »


Bekanntlich frieren Frauen immer. Daher erwuchs schon vor Jahren in uns der Gedanke ,über den einen Heizkörper im Wohnzimmer eine Bank zu setzen, auf der man/frau sich der wohlig warmen aufsteigenden Luft hingeben könne. Auch die zu dieser Fensterfront hereinflutende Sonne sollte für den Banksitzer nutzbar sein.

Die Anforderungen/Einschränkungen an den Bau ergaben sich aus dieser der Sitzbank zugedachten Nutzung und dem Standort:
- offene Sitzfläche, damit die Heizung in ihrem Wirken nicht zu stark behindert werden würde;
- Höhe mit Abstand zur Oberkante Heizkörper ergibt eine etwas größere Höhe als für gewöhnliche Sitzmöbel;
- Beine mußten um den Heizkörper herumgreifen, d.h. stollige Beine waren aus Platzgründen nicht möglich;

In meinem Kopf hatte ich alsbald die Vorstellung einer Bank mit im Querschnitt L-förmigen Beinen und mit einem insgesamt eher leicht anmutenden Gestell, das mit einem Flechtwerk bespannt werden sollte, aufgebaut. Beine und Traversen sollten mit leichten Schweifungen versehen werden.
Mit meinem Kirschholzvorrat, der mir schon so manches Möbelchen ermöglicht hat, ging’s frisch ans Werk, und wie immer bei mir ohne echten Plan, SketchUp- oder gar CAD-Entwurf.

Zuerst wurden die Hölzer für alle benötigten Teile per Hand auf Dicke gehobelt und zur Seite gestellt.

Dann wurden die Zapfenlöcher mit dem Lochbeitel in die Beinteile geschlagen, anschließend der „unrechte“ Winkel mit Hilfe einer Schablone angezeichnet und an der Stoßlade ebenfalls mit Schablone geputzt.
Bei den Beinen wollte ich einer Konstruktion auf Gehrung auf voller Beinlänge aus dem Weg gehen, ebenso konnte ich die Beine nicht aus dem Vollen machen . Daher wurden die L-förmigen Beine aus jeweils drei Teilen hergestellt, zwei geschweiften „Beinseiten“, die mit einem Vierkantholz in Brettdicke über Eck verleimt wurden. So mit waren 8 geschweifte Beinteile herzustellen. Um hier rationeller und gleichförmiger zu arbeiten und auch um mich ein wenig mehr mit meiner kleinen Hobby-Oberfräse und meinem selbstgebauten „Frästisch für Arme“ auseinander zu setzen, kam hier die Oberfräse zum Einsatz (zu Beginn noch ohne Frästisch). Eine Schablone der Beinseiten wurde freihändig gezeichnet, aus Sperrholz ausgesägt und mit dem Schweifhobel geglättet. Diese Schablone wurde mit den auf dem Stichsägetisch (meine „Bandsäge für Arme“) schon möglichst genau ausgesägt und mit den Beinteilen an noch bestehenden Überständen verschraubt. Ein Bündigfräser mit Anlaufring erledigte die endgültige Schweifung schnell und recht sauber. Die geringe Fräserlänge erforderte zwei Durchgänge.
Zum vorläufigen Schluß wurden jeweils zwei Beinteile mit einem Vierkant verleimt.
Für die Schweifung der Kurztraversen fertigte ich ebenfalls eine Schablone, für die Langtraversen eine Halbschablone, die gespiegelt wurde. Auch hier kam der Bündigfräser zum Einsatz. Die Herstellung der Verzapfung erfolgte klassisch von Hand.
Leider waren trotz dem Versuch, sauber zu arbeiten, die Passung von zwei Zapfen nicht vollends zufriedenstellend, so daß ich hier nochmals mit einem Furnier aufstocken mußte.

Der Sitzrahmen ist auf Gehrung mit Zapfen und Zapfenloch händisch hergestellt. Wichtig ist hier natürlich, die Zapfenlöcher vor dem Schneiden der Gehrungen zu schlagen, denn ansonsten bricht die Lochwandung in Richtung Gehrungsspitze beim Aushebeln der Späne immer wieder aus.
Alle Teile sollten aus Gründen der Ästhetik (ich mag schöne Fasen!) und des Kinderaufprallschutzes recht stark angefast werden, was ich angesichts der Schweifungen und meinen stets durchwachsenen Erfahrungen mit Schweifhobeln auch mit der Fräse erledigen wollte. Ein Billig-Fasenfräser in meinem Fräs“tisch“ leistete hier sehr gute Arbeit, in nur kurzer Zeit waren alle Teile am Anlaufring vorbeigezogen und angefast. Um ein schöneres Oberflächenbild zu erhalten, wurde stellenweise noch ein wenig per Hand nachgehobelt. An den Schweifungen leider kam ich nicht ganz ohne Schleifpapier aus, was ich grundsätzlich als Niederlage einstufe .

Nach dem Verleimen, dem Ölen und dem Wachsen ging’s an die Bespannung. Nach reichlichem Überlegen hatte ich mich für eine Bespannung aus Gurtband entschieden. Die Zweifarbigkeit ist einem äshetischen Dilemma geschuldet: zum Kirschholz paßte besonders gut dunkelblaues oder weinrotes Gurtband. Nur Blau allein hätte jedoch vielleicht ein zu dunkles Möbel ergeben, nur Bordeaux hätte sich mit den anderen Rottönen im Wohnzimmer (Teppich, Sofa) gebissen. Da Dunkelblau und Bordeaux aber miteinander gut harmonieren, entschied ich mich für den Versuch mit diesen beiden Farben gleichzeitig. Das ergibt jetzt in Kombination mit der dritten Farbe des Holzes ein etwas unruhiges Bild, aber ich merke, daß ich mich schnell daran gewöhne und es mir mittlerweile sogar gut gefällt. Wenn es auf Dauer stören sollte, wird eine Farbe wieder abgenommen, und die Bespannung in einer Farbe durchgeführt.
Die Bänder wurden mit Hilfe eines Hebels unter die benötigte hohe Spannung gesetzt und festgetackert. Der Hebel ist an seinem Kopf mit einem Rundholzabschnitt und am seinem Ende mit drei kleinen Nägelchen versehen.
Über das Rundprofil läßt er sich gut umlegen, und die Nägelchen halten dabei das Gurtband fest. Soweit zumindest die Theorie. In der Praxis hielten die Nägelchen den großen Spannungen nicht stand, sondern wurden langsam verbogen und herausgehebelt. Daher klemmte ich das Band noch mit einer Feststellzange fest, was erstaunlich gut funktionierte und den Hebel noch verlängerte.



Die richtige Hebelspannung, also den passenden Ansatzwinkel, ermittelte ich empirisch und hielt ihn dann immer wieder ungefähr ein.



Nach dem Tackern sollte das Band beim Anzupfen schon fast ein wenig klingen und nicht mit labberigem Händedruck aufwarten. Damit steht der Rahmen unter ganz erheblicher Spannung, was während des Baus Spreizhilfen auf der Rahmeninnenseite erforderlich machte. Bis zum endgültigen Anbringen einer Querverstrebung (m.E. unbedingt notwendig, ansonsten könnte der Rahmen kollabieren) muß immer eine Spreizhilfe nahe der Mitte des Rahmens eingesetzt bleiben. Die endgültige Querstrebe liegt unter dem Rahmen, damit sie sich nicht unter Belastung der Bespannung durch diese durchpaust. Die kleinen Klötzchen wurden zunächstaufgeklebt und dann mit jeweils 3 8-mm-Dübeln verdübelt, um dem Druck des Rahmens standzuhalten.



Die Sitzfläche ist nach Augenmaß auf den Rahmen gelegt und mittels Querstreben auf Passung mit diesem verschraubt (sicher ist sicher bei Kindern im Haus).



Funktioniert :-):





Und noch ein paar Bilder von der Bank. Leider ist es mir nicht gegeben, ästhetisch ansprechende Bilder von meinen Möbeln zu machen. Dazu kommt mir die Digitalkamera zu wenig entgegen (Kontraste mag die gar nicht), habe ich keine Zeit, mich um aufwendige Ausleuchtung zu kümmern. Und dann ist da noch dieser unsägliche Teppichboden! Ganz zu schweigen von dem Kinderkrempel, mit dem die Bank direkt nach „Übergabe an den Verkehr“ belegt wurde…





Vielen Dank für's Gucken...und ich erwarte eine spezifische Frage zur Ausführung dieses Möbels... ;-)

Grüße, Philipp



Pedder
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Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Pedder »


Hallo Philipp,

das ist ein tolles Projekt und eine Spitzenergebnis! Vielen Dank fürs einstellen. Gurtband? Gibt es das einfach überall zu kaufen??? Shakerband fände ich ja schicker aber auch empfindlicher.

Liebe Grüße
Pedder


Martin Sprandel
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Re: Sitzbank, Heizkörperbank

Beitrag von Martin Sprandel »


Gefäält mir sehr gut!
Schöne Form.

Gruß

Martin :o)


Dirk Boehmer
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Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Dirk Boehmer »

[In Antwort auf #66095]
Hallo Philipp,

super Möbelstück. Gefällt mir sehr gut, die leichten Bögen, die Fasen,
die Schrägen, der Bezug. Klasse!

Nur den Klammern zum Halten der Gurte traue ich auf Dauer nicht über den Weg.
Aber da kann ich mich auch täuschen.

--
Dirk


Philipp
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Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Philipp »


Hallo in die Runde,

vielen Dank für Eure Rückmeldungen.

Pedder: Gurtband aus PP gibt es bei ##### et al. zuhauf. Ich habe meins von baender24.de, es ist eine UV-stabile Variante. 10/50 m kosten in 15 mm Breite ca. 4,--/13,--, also nicht der Rede Wert.

Natürlich ist Band aus Polyester oder Polyamid, so wie es an hochwertigen Rucksäcken zum Einsatz kommt, schöner und auch sicherlich besser. Aber die Auswahl ist hier deutlich eingeschränkter (das "Blau", das ich mir hiervon bei Extemtextil bestellt hatte, stellte sich als Himmelblau heraus und wanderte gleich in die Bastelkiste...), und der Preis ist auch viel höher (i.d.R. über 1,--/m).

Shakerband wäre natürlich schöner gewesen, aber die Beschaffungsproblematik hatten wir ja hier schon besprochen. Außerdem gibt's das auch nur in wenigen Breiten und nicht so schmal, wie das, das ich benötigt hatte.

Dirk: die Klammern (8 mm lang) dürften schon halten, ich habe aber auch überlegt noch nachzutackern. Dies würde ich aber erst tun, falls die bestehende Bespannung noch einmal nachzuspannen wäre.

Viele Grüße, Philipp


Heiko Rech
Beiträge: 2715
Registriert: Sa 28. Jul 2012, 21:16

Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Heiko Rech »

[In Antwort auf #66095]
Hallo Phillip,

die Bank sieht sehr gut aus. Aber ich muss dich bezüglich deines letzten Satzes enttäuschen. Deine ausführliche Beschreibung hat bei mir leider keine offenen Fragen hinterlassen.

Vielen dank für das Einstellen deines Beitrages.

Gruß

Heiko


Franz Kessler
Beiträge: 2298
Registriert: Mi 27. Nov 2019, 21:09

Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Franz Kessler »


Hallo Philipp

Die Idee eine " warme Bank " zu kreieren finde ich gut, normaler Weise muss man da einen ganzen Kachelofen bauen.
Dein Sohn scheint sich ja schon gut mit der Bank angefreundet zu haben, sieht aus als stehe er auf einem Trampolin.
Optisch sieht Deine Bank sehr gelungen aus, allerdings misstraue ich auch ein wenig den Klammern, wie wäre es wenn Du noch zusätzlich mit einer Leiste die Bänder gesichert hättest.
Kannst Du im Bedarfsfalle immer noch nachrüsten.

Gruß Franz


Philipp
Beiträge: 891
Registriert: Mi 21. Nov 2012, 14:14

Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Philipp »


Heiko Rech: "Aber ich muss dich bezüglich deines letzten Satzes enttäuschen. Deine ausführliche Beschreibung hat bei mir leider keine offenen Fragen hinterlassen."


Dann mach ich das mal selbst: wie würdest Du vorgehen, damit die Abstände zwischen den Bändern, die nicht die gleiche Breite wie diese haben und zu Beginn frei wählbar waren, gleichmäßig über den Rahmen verteilt sind.
Verschieben geht ja nicht, da angetackert.

Meine Vorgaben waren: Abstand min. 10 mm, ungerade Bandzahl wegen der Zweifarbigkeit, mit Zwischenraum zum Rahmen beginnend und endend. Bei Vorgabe, mit welcher von zwei Farben ich anfangen/enden will, wird's noch ein wenig schwieriger.

@Franz Kessler: wo sollten denn die Klammern Schwachpunkte zeigen? Sollte das Band sie aus dem Holz ziehen können? Das Band reißen? Stühle mit ähnlicher Bespannung sind auch nur getackert. Wie sollte eine Buchenleiste angebracht sein, daß sie die Stabilität der Bespannung erhöht?
Mir sind die Bedenken hinsichtlich der Tackerung nicht ganz klar. Wenn jemand allerdings damit schlechte Erfahrungen gesammelt hat, dann bin ich froh davon zu erfahren.

Viele Grüße, Philipp



RainerS
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Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von RainerS »


Hallo,

"wie würdest Du vorgehen, damit die Abstände zwischen den Bändern, die nicht die gleiche Breite wie diese haben und zu Beginn frei wählbar waren, gleichmäßig über den Rahmen verteilt sind."

Ich würde es mir ausrechnen: zuerst rechne ich, wieviele Wiederholungen sich bei gegebenen Bandbreiten und gewünschten Mindestabstand sich auf die gegebene Banklänge ausgehen (mit Berücksichtigung des gewünschten Start-/Ende-Bandes).
Da kommt dann sicherlich irgendeine Kommazahl raus, die ich abrunde. Die entstehende Abweichung zur Gesamtlänge rechne ich exakt auf den Mindestabstand auf.
Geht alles mit Grundrechnungsarten :)

Grüße, Rainer



Franz Kessler
Beiträge: 2298
Registriert: Mi 27. Nov 2019, 21:09

Re: Sitzbank, Heizkörperbank - [BILDER]

Beitrag von Franz Kessler »


Hallo Philipp

Ich sehe Du bist von Deiner Befestigungsart fest überzeugt, das finde ich immer gut, ich persönlich halte es auch so.

Wie ich zu meiner Äußerung kam: Als ich das Bild mit Deinem Sohn auf der Bank sah, dachte ich spontan an ein Trampolin, diesen Ausdruck hab ich auch in meinem Beitrag benutzt, so kamen meine Bedenken zu Stande.

Ich merke, Du hast Dich eingehend mit diesen Dingen befasst hast, z.B. die Art wie Du die Bänder gespannt hast, will ich mir auf jeden Fall merken.

Wenn ich von Nachrüsten sprach, ich dachte an eine Leiste etwa 10mm dick, vielleicht mit einer gerundeten Kante, in kurzen Abständen auf die Bänder geschraubt.

Gruß Franz



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