Aha bei Billigstein und Abziehstahl *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
MarkusB
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Registriert: Mo 15. Mär 2021, 07:21

Aha bei Billigstein und Abziehstahl *MIT BILD*

Beitrag von MarkusB »


Hallo zusammen,

auch wenn man sich schon lange mit einem Thema beschäftigt, kann es immer noch zu aha-Situationen kommen.
Ich habe mich ein bisschen mit Billigsteinen beschäftigt, weil mein Schärfstein nur noch 3 mm stark ist und ich zu geizig war, 50 € für einen neuen auszugeben.
Habe ich zwar jetzt doch gemacht, aber eigentlich nur wegen der Größe des Steins.

Ich habe einen 4 € Kombistein und schon seit Jahren einen 17 € von Attack, welcher mein erster Schärfstein war. Auch ein Kombistein.

Es ist keine Problem, mit dem 4 € Stein an meinen Beiteln einen Grat herzustellen und anschließend mit einem guten Abziehstein eine Mikrofase die Beitel scharf zu kriegen. Das war mein aha-Erlebnis Nr. 1. Beitel werden jetzt nur noch auf dem Billigstein geschärft, der zwar klein aber groß genug ist.

Heute in der Küche aha-Erlebnis Nr. 2:
Aus Spaß an der Freud habe ich in der Küche die angelaufenen Windmühlenmesser auf dem Attack solange bearbeitet, bis sie glänzten.
Natürlich nicht poliert, das kann der Attack nicht.
Ich fühlte deutlich den Grat.
Beim Versuch, mit der feinen Seite irgendwie eine Mikrofase hinzukriegen bin ich kläglich gescheitert.
War von vornherein klar, hatte ich schon mehrfach versucht.
Keine Rasurschärfe, reichte aber bislang immer für den Küchengebrauch.
Dann fiel mir mein Abziehstahl ein, der seit Jahren unbenutzt in der Küchenschublade liegt.
Das Messer habe ich in Schneidrichtung mit relativ viel Kraft mit kleinem Winkel am Stahl Richt Griff entlang gezogen.
Wie man es aus dem Fernsehen halt kennt.
Ergebnis war eine rasiermesserscharfe Schneide.

Boah, dachte ich, wie kommt das denn?

An der Schneide ist eine ganz feine Mikrofase zu sehen.
Der Abziehstahl ist aber total glatt. Aus meiner Sicht trägt der nichts ab.
Bei einem Polierstein sieht man ja die Spuren von Stahl, da wird was abgetragen und so die Schärfe hergestellt.
Beim Abziehstahl vermute ich eher eine plastische Verformung. Der Stahl der Schneide wird aus meiner Sicht auf einer ganz schmalen Breite beidseitig quasi glattgezogen.



Viele Grüße

Markus

Konrad Holzkopp
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Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von Konrad Holzkopp »


Guuden,

ein glatter Abziehstahl zieht nicht, die Riffel müssen gut spürbar sein und Gripp haben.

Gut schärf! Justus.

Friedrich Kollenrott
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Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Markus,

vom Schärfen mit Wetzstahl verstehe ich nichts. Meines Wissens sollte der aber auch (wie schon Justus schreibt) scharfe Rillen und so eine schabende Wirkung haben.

Wenn Du eine grob vorgeschliffene Fase mit einem glatten Stahlstab (wie ein Ziehklingenstahl) von beiden Seiten andrückst, dann wirst Du eien plastische Verformung erzielen (ein blanker Streifen) und den vom Schleifen herrührenden Grat irgendwie in Schnittrichtung biegen (entfernt wird er nicht). Eine solche Messerschneide mit Grat ist in der Küche rattenscharf, weiches Schneidgut wie z.B. Fleisch kann man damit sehr gut schneiden. Wie lange sie gebrauchsfähig bleibt, weiss ich nicht, vermutlich muss man schon sehr bald den Grat mit dem Stahl wieder aufrichten.

Wichtig ist aber: Zur Holzbearbeitung ist eine solche Schneide mit Grat nicht brauchbar, weil der Grat da umklappt und dann den Schnitt behindert.

Grüße, Friedrich

Pedder
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Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von Pedder »

[In Antwort auf #152431]
Hallo Markus,

der Stahl von westlichen Küchenmesser ist so weich, dass man ihn mit dem härteren Wetzstahl verformen kann (mit ohder ohne Riefen ist nach meinem Eindruck egal.) Nur wetzen reicht aber bei meinen MEssern nicht.

Ich habe auch einen günstigen Stein in der Küche. Kommt aber noch aus der Zeit, als Werkstatt und Küche weiter voneinander entfernt waren.

Liebe Grüße
Pedder

Hartmut H
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Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von Hartmut H »


Moin,

Wetzstähle wirken mit mindestens vier verschiedenen Mechanismen: abrasiver Abtrag (Schleifen), adhäsiver Abtrag (Schaben), plastische Verformung und Mikroausbrüche (Abreißen von Spitzen und Kanten). Wie sich die Mechanismen jeweils verteilen, hängt von Stahl und Wärmebehandlung des Messers, Schliff und Zustand der Schneide, Form, Material und Oberfläche des Wetzstahls, Führung und Druck des Wetzvorgangs und wahrscheinlich noch weiteren Parametern ab. Ein Stahl mit groben Zügen (Riffelungen) oder Titannitridbeschichtung wirkt stark über abrasiven Abtrag, ein polierter Stahl eher über die anderen Mechanismen.

Es kann leicht vorkommen, dass eine beim Schliff nicht sauber entgratete Klinge oder eine falsch gewetzte Klinge, wie Friedrich schrieb, einen Foliengrat ausbildet, der sehr scharf ist, aber sofort wieder stumpf wird. Dann muss die Klinge erst auf Steinen oder Leder mit Polierpaste sauber entgratet werden, bevor man sie durch Wetzen scharf hält. Generell gilt der Grundsatz: Wetzen dient eher dem Scharf halten als dem Scharf machen. Lieber häufig wenige, leichte Züge auf einem feinen Stahl als warten, bis das Messer stumpf ist und dann mit einem groben Stahl und reichlich Schmackes wieder Schärfe reinbringen. Das führt leicht zur Ausbildung von Graten und dem Ruinieren der Form der Schneide (sog. Overgrinds, also Hohlstellen) oder der Geometrie der Schneide.

Für weitere Infos zum Wetzen und Schärfen von (Küchen-) Messern kann ich das Kochmalscharf-Forum wärmsten empfehlen.

Viele Grüße
Hartmut

Pedder
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Re: interessant

Beitrag von Pedder »


Hallo Hartmut,

vielen Dank für die Ausführungen.

Vier Effekte? Puh, das ist ja wieder gleich eine eigenen Wissenschaft.
Ich habe einen Wertzstahl, verwende den aber eigentlich nicht mehr.
Ein kleiner billiger Schliefstein war immer schneller.

Liebe Grüße
Pedder

Konrad Holzkopp
Beiträge: 1722
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Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von Konrad Holzkopp »


Guuden,

ein Wetzstahl trägt durchaus Material ab, zu sehen an langgedienten Messern beim Schlachter,
und, bei falscher Handhabung, an der Delle in der Schneide unter dem Heft.
Dir rührt daher, dass Einige das Messer beim Ansetzen zu fest gegen den Wetzstahl "knallen".

Gut schärf! Justus.

MarkusB
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Registriert: Mo 15. Mär 2021, 07:21

Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von MarkusB »

[In Antwort auf #152431]
Moin zusammen,

viele Dank für eure wertvollen Informationen. So langsam komme ich der Sache auf die Spur.

Es kam nicht deutlich aus meinen Bericht heraus, aber ich hatte den Grat durch meinen Versuch, mit dem Billigstein eine Mikrofase herzustellen, entfernt.
Habe ich auch immer wieder geprüft.
Erst dann habe ich den Wetzstahl genommen.
Die Schärfe hält sich ganz gut.
Klar, die Rasierschärfe ist schnell weg, aber man muss dann immer noch sehr vorsichtig sein.
Ein Grat ist nach Gebrauch nicht zu spüren, der aber da wäre, wenn ich besagten Foliengrat (toll sprechender Begriff) hergestellt hätte.

Noch was:
Der Wetzstahl hat Riefen, die aber kaum noch zu spüren sind.
Anscheinend reichen sie aber aus.
Das ist auch wichtig, denn man will sich ja nicht jedes Jahr einen neuen Wetzstahl zulegen, nur, weil man den nicht schärfen kann.
Ich habe davon jedenfalls noch nie was gehört.

Viele Grüße

Markus

Paul Reichert
Beiträge: 49
Registriert: Do 19. Jan 2017, 22:48

Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von Paul Reichert »

[In Antwort auf #152431]
Hallo,

ich denke, wenn es um solche Fragen geht sollte der Hinweis auf die scienceofsharp Webseite nicht fehlen:

https://scienceofsharp.com/2018/08/22/what-does-steeling-do-part-1/

ein zweiter Blogbeitrag befasst sich auch mit dem Thema:

https://scienceofsharp.com/2019/06/08/what-does-steeling-do-part-2-the-card-scraper/

Die ganzen Sachen dort finde ich sehr interessant und lesenswert, auch wenn es nicht primär um Holzbearbeitungswerkzeuge geht. Die Bilder geben auch recht interessante Einblicke in Dimensionen die uns sonst eher verschlossen bleiben. (Übersicht aller Beiträge: https://scienceofsharp.com/home/)

Viele Grüße

Paul

beate_r
Beiträge: 102
Registriert: So 2. Jul 2017, 00:40

Re: Aha bei Billigstein und Abziehstahl

Beitrag von beate_r »

[In Antwort auf #152431]
Zum billigen Abziehstein: mit denen experimentiere ich gerade auch rum und kann bestätigen, dass die Dinger zumindest fürs Grobe einigermaßen tauglich sind. Aber: zumindest, wenn man gute und eher breite Beitel damit schärfen will, muss man sie wirklich abrichten; sie sind schon gerne mal regelrecht krumm. Ich werde mir wohl wirklich ein paar von den Teilen besorgen - Anlässe, an denen genau sowas sinnvoll ist bzw für die die teuren Japansteine zu schade sind, findet man ja immer wieder.

Wenn man das bedenkt, sollte man mit ihnen ohne weiteres eine ordentliche Basis für die feineren Körnungen besserer Steine hinbekommen.

LG

Beate

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