Bau eines Innenfensters Teil 1 *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Bernd Zimmermann
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Registriert: Mi 15. Apr 2015, 20:15

Re: Teil5/2 Bau eines Innenfensters

Beitrag von Bernd Zimmermann »

[In Antwort auf #147464]
Hallo Johannes Daniel,

einfach genial. Seit langem keinen so guten Bericht mehr gelesen. Ich werde zwar in meinem Leben sicherlich kein Fenster bauen, aber trotzdem macht es unheimlich Spaß Deine Berichte zu lesen.

Was den geneigten Leser angeht hätte ich allerdings eher gedacht, dass er aus dem (Fenster-)Rahmen fällt anstatt vom Tellerrand (duck und wech).

Liebe Grüße
Bernd
(und bitte bitte im gleichen Stil weiterberichten wie seither)

Johann Daniel
Beiträge: 88
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Re: Teil5/2 Bau eines Innenfensters

Beitrag von Johann Daniel »

[In Antwort auf #147464]
Vielen Dank an die Schmeichler, aber auch vielen Dank an alle anderen, die meine Berichte lesen, denn dafür sind sie gemacht.
@Werner: Deine Tipps zum Beschichten verzinkter Bauteile sind gespeichert. Vielen Dank dafür. Ich habe gelegentlich mit verzinkten Teilen zu tun, die Farbe bekommen sollen. Bisher mit mäßigem Erfolg. Bei meinen Fensterbeschlägen soll die Behandlung allerdings mit Rostschutz-Leinölfarbe auf rohem Stahl erfolgen. Ein Experiment.
Gruß,
J.Daniel

Werner Mayer

Re: Teil5/2 Bau eines Innenfensters

Beitrag von Werner Mayer »


Hallo Johann,

die "Öle" sind die bösen Buben unter den Beschichtungsstoffen auf verzinkten Untergründen. Sie enthalten Fettsaüren die Zink, unter Einfluß von Feuchtigkeit zur einer Verseifung führen.
Es gibt aber auch andere Gründe die zu Problem führen können.

Die erfolgreiche Beschichtung von verzinkten Untergründen läuft unter dem Begriff "Duplexsysteme".

Grüße

Werner

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Harry Dietz
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Re: Teil5/2 Bau eines Innenfensters

Beitrag von Harry Dietz »

[In Antwort auf #147464]
Das ist gar nicht gut!
Ich muss ein kleines Häuschen im Garten bauen und da sollen zwei Fenster rein. Eigentlich suche ich gebrauchte Fenster. Und jetzt das! Die Fenster sind echt schön und du zeigst, dass man sie selbst bauen kann. Mensch, das hat jetzt noch gefehlt. Wenn ich das meiner Frau zeige, hab ich Probleme. Muss sowieso dieses Jahr noch den Einbauschrank und das Bett bauen.

Ansonsten aber: super. Vielen Dank für die Details, das wird sicher mal nützlich werden fürchte ich.

Grüße
Harry

Johann Daniel
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Registriert: Di 19. Feb 2013, 19:58

Da fehlt noch etwas: Innenfenster Teil 6/1 *MIT BILD*

Beitrag von Johann Daniel »

[In Antwort auf #147044]
Teil 6/1 Der ganze Rest

Liebes Forum,

eigentlich liesse sich der letzte Teil meines Berichts noch ewig aufschieben, um in kribbeliger Euphorie kurz vor der Fertigstellung des Projektes zu verharren. Doch blicken wir der baulichen Realität ins Auge. Das Fenster ist längst eingebaut, der durch es erhellte Raum wird mittlerweile für seinen vorgesehenen Zweck genutzt. Darum fasse ich die noch nicht beschriebenen Arbeiten endlich in Sätze und Absätze.

Für den Anstrich des Fensters entscheide ich mich, Leinölfarbe mit natürlichen Pigmenten zu verwenden, wessen folgende Überlegungen zu Grunde liegen. Zum einen scheint es mir seit einiger Zeit absurd, das Naturprodukt Holz -zeitaufwendig, stromlos verarbeitet- mittels künstlicher Leime und Farben in nicht kompostier- oder recyclebaren, potentiellen Restmüll zu verwandeln. Zum anderen sondert jede Kunststoffoberfläche, und das ist ein Anstrich mit nicht natürlichen Farben, durch Abrieb und Verwitterung kleinste Plastikpartikel ab. Solange deren negativer Einfluss auf den Rest der Welt nicht ausgeschlossen werden kann, halte ich es für nicht abwegig, Alternativen auszuloten.



Die Oberflächenbehandlung der Holzteile beginnt mit einem ersten Anstrich aus dünnflüssigem Halböl. Für dessen Herstellung mixe ich je einen Teil Leinölfirnis und Balsamterpentinöl. Schnell gemacht und riecht gut. Das Halböl soll keinen Film auf der Oberfläche bilden. Man benötigt daher nur wenig Material, da es vom harzigen Kiefernholz nur wenig aufgesogen wird.
Die allesamt zinkfreien Metallteile streiche ich zunächst mit Eisenmennige, hergestellt mit Leinölfirnis und entsprechender Pigmentpaste aus Hämatit. Da meine Erfahrungen mit Leinölfarben gerade erst geschlüpft sind, probiere ich bei dem Mischungsverhältnis herum, bis mir die Farbe streichfähig genug erscheint. Der Hersteller der Pasten empfiehlt für Mennige 70% Paste / 30% Leinölfirnis. Das kommt mir recht zäh vor.
Angeblich soll Leinölfirnis im Gegensatz zu unbehandeltem Leinöl bereits nach einem Tag bei 20°C einigermaßen trocken sein. In der Werkstatt liegt die Temperatur niedriger und es dauert deutlich länger. Während der Trocknungszeit kann man z.B. Bier brauen.

Nachdem Halböl und Menninge getrocknet sind, baue ich die Bänder endgültig an. Das Gewinde der Schrauben tunke ich vor dem hineindrehen in Leinöl. Dann werden das ganze Fenster und separat die Bascule das erste Mal weiss gestrichen. Dazu wird Farbpaste „Reinweiss“ (80% Titandioxid, 20% Zinkoxid) mit eher wenig Leinölfirnis gemixt und mit dem Pinsel dünn einmassiert. Nach dem Trocknen erfolgt der nächste Anstrich. Ich richte mich nach der Regel „Von mager nach fett“, was bedeutet, dass für jeden Durchgang der Firnisanteil in der Farbe etwas erhöht wird. Das heisst die fettere Farbe wird dünnflüssiger. Verwirrend.
Auch der noch leere Kittfalz der Fensterflügel wird mit gestrichen. Würde man direkt auf das unbehandelte Holz den Kitt aufbringen, zöge das Leinöl zum Teil aus dem Kitt in das Holz, der Kitt würde zu mager und nicht sehr haltbar.

Nachdem der zweite Anstrich trocken ist, wende ich mich den Scheiben zu. Beim Bestatter meines Vertrauens beziehe ich zwei Stück rechteckiges Tafelglas. Die Breite ist passend für die Flügel, die Länge etwas mehr, da ich oben noch den Bogen abschneide. Man kann auch eine Schablone der benötigten Scheibe bauen, nach denen der Glaslieferant sie genau passend fertigt. Das ist mir aber zu viel Theater. Ist man mit dem Glasschneider noch per Sie, würde ich die Sache mit der Schablone allerdings bevorzugen.



Zum Kitten nehme ich den in Würsten käuflichen Leinölkitt. Man kann ihn auch selbst herstellen...
Zunächst drücke ich mit den Fingern die genau richtige Menge Kitt in den Falz.



Ende 6/1, weiter geht's mit 6/2

Johann Daniel
Beiträge: 88
Registriert: Di 19. Feb 2013, 19:58

Da fehlt noch etwas: Innenfenster Teil 6/2 *MIT BILD*

Beitrag von Johann Daniel »

[In Antwort auf #147044]
Fortsetzung von 6/1

6/2 Der ganze Rest

Dann wird die Scheibe eingelegt und rundum in mehreren Durchgängen angedrückt bis der Kitt überall unter der Scheibe herausquillt. Jetzt werden die Glasstifte vorsichtig eingeschlagen. Möglichst parallel zur Scheibenoberfläche. Hat man keine Glasstifte, können auch dünne Nägel mit abgeknipstem Kopf verwendet werden. Bei Scheiben dieser Größe nehme ich auf jeder Seite drei, oben und unten jeweils einen Stift.



Jetzt drehe ich den Flügel um und entferne mit dem Kittmesser den überschüssigen Kitt auf der Rückseite.



Ich drehe das Fenster wieder zurück und nun wird's ernst. Es muss schön werden! Wieder wird ausreichend Kitt in den Falz gedrückt und dann mit dem Kittmesser glattgestrichen. Fertig.





Das schreibt sich leicht hin und sieht auch einfach aus.
Als ich vor vielen Jahren das erste Mal Scheiben einkittete, schwankte ich nicht zwischen Verzweiflung und Wutausbruch. Beide Zustände traten gleichzeitig ein. Vielleicht weinte ich auch. Beim Glattziehen zog der Kitt aus dem Falz, vor allem die Ecken wurden nie ebenmäßig und schön. Ich versuchte Leinöl zum glattstreichen und Spülmittel. Das war alles eine riesige Sauerei und ich verbrachte Stunden damit, alles wieder sauber zu bekommen. Das einzige, was wirklich funktioniert, ist geduldig zu üben. Und ein ordentliches Kittmesser. Meins ist heilig, kann daher nicht verliehen und auch nicht für andere Aufgaben verwendet werden.
Dann muss der Kitt antrocknen, bis man ihn überstreichen kann.

Ende 6/2, weiter geht's mit 6/3

Johann Daniel
Beiträge: 88
Registriert: Di 19. Feb 2013, 19:58

Da fehlt noch etwas: Innenfenster Teil 6/3 *MIT BILD*

Beitrag von Johann Daniel »

[In Antwort auf #147044]
Fortsetzung von 6/2

6/3 Der ganze Rest

Zeit für die Riegel des fünften Rahmenteils. Ich baue sie aus Buche. Je einen für die linke und die rechte Seite. In den Rahmen stemme ich die entsprechenden Löcher an zwei Seiten leicht konisch, so dass sich beim Verriegeln das lose Rahmenteil an seinen Platz drückt. Die Riegel sind mit Tonki behandelt. Das ist eine fertig gekaufte, lackähnliche Mixtur aus Lein- und Tungöl, die eigentlich Le Tonkinois oder auch Tonkinlack heisst. Die Schrauben brüniere ich durch Einbrennen von Leinöl.



Zwischenzeitlich ist der Rahmen eingebaut, die Wand verbrettert. Die angetrockneten Kittnähte streiche ich einmal weiss vor. Die letzten beiden Anstriche des Fensters erfolgen bei eingehängten Flügeln. So kann man jeweils in einem Rutsch rundum alles malen. Dann baue ich die ebenfalls fertig gestrichene Bascule an.

Zur Leinölfarbe: Sie fordert Geduld vom Verarbeiter, wegen der Trocknungszeiten, und die Oberfläche ist vielleicht nicht ganz so glatt wie bei Kunstharzfarbe. Aber ich werde sie wieder verwenden, mehr experimentieren und Erfahrungen sammeln. Ich mag das Zeug.

Und so sieht das vorläufige Ergebnis aus. Zwischen Innen- und Aussenfenster fehlt noch die Verkleidung des Sturzes.



Hier geöffnet und ohne das fünfte Rahmenteil. So hat man eine durchgehende Fensterbank, wenn die Flügel im Sommer ausgehängt und weggestellt sind.



Gratuliere! Es ist mir eine große Freude, das Ergebnis Deiner Arbeit wohlwollend betrachten zu dürfen.

Meinen Dank, alter Freund. Deine Worte bergen nicht den leisesten Unterton?

Ich blicke durch Dein Fenster auf einen Apfelbaum, worüber sollte ich miesepetern?

Über die Zeit, vielleicht. Viele unwiederbringliche Stunden meines bescheidenen Lebens widmete ich dieser teils schweren Arbeit.

Nicht eine kostbare Minute scheint mir verloren. Hat nicht die Arbeit Deinen Körper, die Reflexion darüber Deinen Geist gestärkt?

Du grollst nicht über pragmatische Abkürzungen, die Verspieltheit des fünften Rahmenteils?

Teils Notwendigkeit, teils Deine Freiheit. Was hättest Du anders ausführen wollen? Dein Fenster macht die Welt nicht schlechter. Doch scheint Deine eigene Freude ohne Grund verhalten.

Recht hast Du. Mag sein, es ist das alte Leiden.

Die Wehmut am Ende einer erfüllten Zeit? Du hast genügend Aufgaben und mehr Ideen als ein dutzend hundertjähriger Handwerker von bester Gesundheit in ihrem und zwei weiteren Leben hätten umgesetzt haben können. Du fürchtest Dich vor Langeweile?

Niemals!

So dann, Santé!

Zum Wohle!



Jan T.
Beiträge: 186
Registriert: Di 23. Okt 2018, 15:01

Re: Da fehlt noch etwas: Innenfenster Teil 6/3

Beitrag von Jan T. »


Hallo Johann,

ein wirklich ganz toller Bericht. Auch noch einer der vielen Aufgaben, die mir bei meinem Resthof bevorstehen. Dies wird dann allerdings mit Hilfe von Maschinenkraft geschehen, doch selbst der Aufwand scheint mit erheblich. Auch habe ich besonderen Respekt vor dem Kitten, wie du ja auch geschrieben hast, nicht ganz einfach. Auch Justus hatte ja sowas angedeutet.

Ganz, ganz große Klasse!

Viele Grüße

Jan T.

MarkusB
Beiträge: 1200
Registriert: Mo 15. Mär 2021, 07:21

Re: Da fehlt noch etwas: Innenfenster Teil 6/3

Beitrag von MarkusB »


Hallo Johann,

das ist echt ganz großes Kino.
Toll.
Jetzt habe ich das mit dem 5. Teil auch verstanden.

Viele Grüße

Markus

MaxS
Beiträge: 1552
Registriert: Sa 21. Jun 2014, 02:52

Re: Da fehlt noch etwas: Innenfenster Teil 6/3

Beitrag von MaxS »

[In Antwort auf #150243]
Hallo Johann,

vielen Dank für diese hervorragend dokumentierte Arbeit!

Leinölfarbe kann ich ebenfalls nur empfehlen. Ich empfinde die Verarbeitung als deutlich angenehmer als die von Kunstharzfarben, sofern man wirklich gute (!) Pinsel verwendet und die Farbe sehr sorgfältig aufträgt. Die Trockenzeit lässt sich mit Sikkativ etwas regulieren, zu viel sollte es aber nicht sein. Das Ergebnis ist jedenfalls besser und dauerhafter, als die diversen KH-Farben und Lasuren. Mit sorgfältigem Zwischenschliff wird die Oberfläche auch hier ziemlich glatt.

Weiter viel Freude am klassischen Arbeiten (und hoffentlich auch an der Dokumentation) - viele Grüße,
Max



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