Testbericht: japanische HSS-Stemmeisen *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
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Wolfgang L.
Beiträge: 111
Registriert: Mi 14. Mär 2018, 16:15

Testbericht: japanische HSS-Stemmeisen *MIT BILD*

Beitrag von Wolfgang L. »


Hallo Holzwerker,

da ich mit der Standzeit von herkömmlichen Stemmeisen bisher nicht so richtig zufrieden war, haben mich die jap. HSS Stemmeisen bei Dieter schon lange interessiert.
Bisher haben mich aber immer 2 Dinge davon abgehalten mal eines zu bestellen:
erstens das Schärfen: HSS ist ja nicht gerade für seine leichte Schärfbarkeit bekannt. Meine Erfahrungen mit A2, D2 und PMV11 Hobeleisen auf Wassersteinen und die Härteangabe von 65-66(!) HRC ließen mich bisher immer zurückschrecken. Zweitens sprach mich die japanische Form schlichtweg nicht besonders an.

Vor kurzem habe ich mir dann aber doch ein Stemmeisen bestellt, zum Probieren einmal eines der kleineren und auch deutlich günstigeren normalen Stemmeisen (Oire Nomi). Kurz darauf habe ich mir auch noch ein Zimmerer-Stemmeisen (Tataki Nomi) bestellt (Kompliment an FWB: der Versand erfolgte wieder mal extrem schnell!).

Vorderseite:


Spiegelseite:


Hier ein Größenvergleich mit zwei westlichen Stemmeisen (19mm und 25mm):

Das Oire Nomi misst 18mm, das Tataki Nomi 30mm.
Die Gesamtlänge beträgt beim Oire Nomi ca. 23cm, beim Tataki Nomi ca. 29cm.
Aber nicht nur die Länge ist der Unterschied, das Tataki Nomi ist insgesamt deutlich stärker dimensioniert

Seite des Oire Nomi im Vergleich mit 19mm Stemmeisen:


Seite des Tataki Nomi im Vergleich mit 25mm Stemmeisen:

Beide Eisen verdicken sich zum Heft hin recht stark, deutlich mehr als bei westlichen Stemmeisen, insbesondere das Zimmerer-Stemmeisen. An Stabilität mangelt es hier sicher nicht.
Die Fasen sind nicht sehr weit heruntergeschliffen, was beim Stemmen aber sicher kein Nachteil ist. Die Breite verjüngt sich zum Heft hin bei beiden Eisen um ca. 2-3/10mm, das erweist sich bei Stemmen von Zapfenlöchern ebenfalls als günstig.

Die Schneiden:

Beide Stemmeisen kamen mit einer ca. 28° Fase und einer 30° Sekundärfase und waren erstaunlich scharf. Das Tataki Nomi im Bild links ist noch im Originalzustand, man sieht die kleine Mikrofase. Beim Oire Nomi war die Sekundärfase deutlich breiter, nach mehrmaligem Nachschärfen nimmt sie nun fast 3/4 der ganzen Fase ein.

Die Spiegelseiten:

Die Spiegelseite des Tataki Nomi ist wieder im Originalzustand, beim Oire Nomi habe ich bereits ca. 1/2h geschliffen.
Wie man sieht, habe ich bereits sehr viel an der Spiegelseite geschliffen, trotzdem ist ganz vorne an der Schneide noch deutlich ein Streifen zu erkennen, der noch nicht plan ist.
Die Prüfung mit einem Haarlineal ergab, dass hier noch erheblich mehr Material abgetragen werden müsste, beim Tataki Nomi zeigt sich das gleiche Bild.
Die Spiegelseite soweit zu planen ist für mich keine Option, der Hohlschliff würde dabei wahrscheinlich fast ganz verschwinden, vom Arbeitsaufwand ganz zu schweigen.
Ich schwanke derzeit zwischen zwei Optionen: den Bereich nahe der Schneidkante vorsichtig zu polieren und die nicht ganz plane Spiegelseite in Kauf zu nehmen (beim Stemmen kann ich damit sicher leben) oder einfach auf dem Schleifbock die Fase um ca. 2mm weiter zurückschleifen, HSS verträgt den Trockenschliff ja problemlos. Schade ist es trotzdem, da man dadurch unnötig Länge verliert und es auch einiges an Arbeitsaufwand bedeutet.

Das Schärfen:
Abgesehen vom Planen der Spiegelseite geht das Schärfen auch auf Wassersteinen - verwendet habe ich Cerax 400, 1000 und 6000 - den Umständen entsprechend passabel. Natürlich deutlich langsamer als bei normalen Werkzeugstählen, aber immer noch beherrschbar, vorausgesetzt man hält die eigentliche Fase klein, indem man eine Hilfsfase mit kleinerem Winkel als die eigentliche Hauptfase anschleift. Ich verwende dazu jetzt eine ebenfalls neu erworbene Diamantplatte von ATOMA, Körnung 140. Mit feineren Körnungen oder Wassersteinen möchte ich diese Schrupparbeiten aber nicht machen müssen. Das ist eben der Nachteil von HSS, aber auch gleichzeitig wieder ein Vorteil: bei HSS kann man diese Hilfsfase ja auch am Schleifbock herstellen bzw. regelmäßig nachschleifen, das geht dann auch sehr schnell.
Insgesamt ist das Schärfen also kein wirkliches Problem wenn man eben ein paar Besonderheiten beachtet und seinen Arbeitsablauf beim Schärfen ggf. etwas umstellt bzw. an den Stahl anpasst.

Die Schärfe:
Hier tue ich mir schwer ein Urteil abzugeben, weil ich nur bis Korn 6000 schärfe. Ich bin mir nicht sicher ob sich damit überhaupt Unterschiede zwischen verschiedenen Stählen erkennen lassen.
Eine geringere Schärfe konnte ich aber definitiv nicht feststellen, wenn schon dann eher sogar etwas besser als meine MHG Eisen und in etwa gleich auf wie mein Pfeil Stechbeitel. Wenn überhaupt, dann sind diese Unterschiede aber nur sehr gering, könnte auch nur Einbildung sein.

Die Standzeit:
Das ist nun der Punkt, wo diese Eisen wirklich glänzen. Kurzum: erstaunlich!
Ich habe zum Test das Oire Nomi, ein MHG und das oben abgebildete 19mm Stemmeisen (Billigware aus dem Baumarkt, der Stahl ist aber OK und in etwa gleichauf mit MHG) exakt gleich geschärft: 30° Fase mit Korn 1000 und eine 2° Mikrofase mit Korn 6000 und damit 35mm tiefe und 50mm lange Zapfenlöcher in ein Stück Douglasie mit sehr feinen Jahresringen und hoher Dichte gestemmt. Nach jedem Zapfenloch habe ich die Schneiden inspiziert und versucht an einem Stück Hirnholz einen feinen Span abzunehmen. Sowohl das Billigeisen als auch das MHG zeigten bereits nach dem ersten Zapfenloch ganz leichte Schäden an der Schneide, die mit freiem Auge erkennbar waren, am HSS-Eisen war nichts zu sehen. Den Test am Hirnholz bestanden aber alle 3 noch zufriedenstellend. Nach dem zweiten Zapfenloch spürte man beim MHG und beim Billigeisen bereits, dass sich die Schneide leicht umgelegt hatte, der Test am Hirnholz konnte nicht mehr voll überzeugen. Beim HSS-Eisen war nichts zu sehen oder zu spüren, die Schärfe fühlte sich immer noch wie frisch geschliffen an. Nach dem dritten Zapfenloch wieder das gleiche Bild, das HSS war wie frisch geschliffen, die anderen zwei sind nochmals stumpfer geworden. Zum Stemmen sicherlich noch lange gut, für feines Nachstechen von Holzverbindungen wäre ich damit aber absolut nicht mehr zufrieden. Danach habe ich den Test abgebrochen.

Das HSS-Oire-Nomi habe ich nach dem Test weiterverwendet und wie es der Zufall so will, habe ich beim - zugegeben etwas unvorsichtigem - Arbeiten einen Nagel so ungünstig erwischt, dass die Schneide unter den Nagelkopf geriet und durch die Haltung des Eisens eine Hebelkraft direkt auf die Schneide wirkte. Das war selbst für dieses Eisen zu viel, die Schneide brach aus, den Schaden sieht man an dem Bildern oben. Ich denke aber das ist absolut OK, das hätte wahrscheinlich kein Stemmeisen der Welt schadlos überstanden.

Mein Fazit bisher:
Die Standzeit begeistert, der Schärfaufwand ist mit einer Diamantplatte gut beherrschbar.
Die Eisen sind nicht billig (gerade die größeren Zimmerereisen) aber man bekommt auch ein gehöriges Stück Stahl mit hervorragender Gebrauchsgüte.
Die Spiegelseite trübt den ansonsten sehr guten Eindruck leider etwas.
An die japanische Form muss ich mich erst noch gewöhnen, hier gefällt mir die klassische westliche Form besser.

Falls jemand von euch diese Eisen auch im Einsatz hat, würde mich euer Urteil und eure Meinungen dazu interessieren.

LG Wolfgang

Friedrich Kollenrott
Beiträge: 3188
Registriert: Fr 19. Mär 2021, 17:09

Re: Testbericht: japanische HSS-Stemmeisen

Beitrag von Friedrich Kollenrott »


Hallo Wolfgang,

dass HSS- Eisen eine tolle Standzeit haben, überrascht nicht, dass sie relativ mühsam zu schärfen sind, auch nicht. Ich habe keine, kann insofern also nichts beitragen.

Aber - hatten die wirklich beide eine so krass abgesunkene Vorderkante an der Spiegelseite, wie es Dein Bericht nahelegt? Da hättest Du besser nicht stundenlang drauf rumgeschliffen, sondern sie reklamiert, denn das kann doch nicht sein. Eine Spiegelseite muss grundsätzlich plan ein. Bei Eisen aus Werkzeugstahl ist es leider normal (aber hinnehmbar) dass man ein bißchen nacharbeiten muss. Aber so krass, und das bei HSS? Das kann nicht gewollt sein. Vielleicht solltest Du doch noch einmal das Gespräch mit Dieter suchen.

Grüße, Friedrich

Christoph Meyer
Beiträge: 675
Registriert: Sa 8. Aug 2015, 22:44

HSS Eisen, eins habe ich *MIT BILD*

Beitrag von Christoph Meyer »


Hallo Wolfgang,

ich habe in meinem Fundus auch ein HSS Eisen. Das nutze ich gerne wenn es ordentlich was mit dem Hammer gibt.

kurzer subjektiver Vergleich

positiv

- es hält die Schärfe deutlich besser wie die MHG Eisen. In etwa vergleichbar mit den PM V11 Eisen von Vertias, obwohl ich die nicht so hart ran nehme ohne Zwinge.
- bisher gab es keine Ausbrüche, die jap. Eisen mit hohen Kohlenstoffanteilen brechen schnell mal aus.

neutral
- es schärft sich für mein empfinden nicht schneller oder langsamer wie andere Eisen.

negativ

- Es wird nicht ganz so rasiermesser scharf wie die Kohlenstoffstähle.
- die Eisenbreite steht nicht drauf. Gut kann man selbst draufscheiben.
- der Griff ist mir zu klein und etwas zu dünn, die MHG Eisen haben für mich angenehmere Griffe.

Ich würde das Eisen wieder kaufen!
Warum ich nicht mehr HSS Eisen habe. Ich habe mehr als genug Stemmeisen.

Hier noch ein paar Bilder zum Vergleich.







Grüße
Christoph

Wolfgang L.
Beiträge: 111
Registriert: Mi 14. Mär 2018, 16:15

Re: HSS Eisen, eins habe ich

Beitrag von Wolfgang L. »


Hallo Christoph,

wenn ich mir dein Bild der Spiegelseite ansehe, vermute ich dass da nur sehr wenig Arbeit notwendig war, oder?
Mit welcher Methode bzw. welcher finalen Körnung schleifst du deine Eisen?
Meinst du mit dem fühlbaren Unterschied zu reinen Kohlenstoffeisen japanische Eisen oder hast du auch westliche mit unlegierten Stählen?
Ist bei deinem Eisen der Hals zwischen Blatt und Zwinge tiefer als die eigentliche Spiegelseite (so dass man auch Zapfenlöcher tiefer als die eigentliche Blattlänge stemmen kann, ohne dass der Hals dabei hinderlich ist)?

LG Wolfgang

Christoph Meyer
Beiträge: 675
Registriert: Sa 8. Aug 2015, 22:44

Re: HSS Eisen, eins habe ich *MIT BILD*

Beitrag von Christoph Meyer »


Hallo Wolfgang,

das sind aber viele Frage :-)

wie lange ich für das Herrichten der Spiegelseite gebraucht habe kann ich dir nicht mehr sagen. Es war aber nicht zu lang.

Ich schärfe Stemm- und Hobeleisen auf einem 1000er Stein und gehe dann direkt auf einen 8000er Stein. Shapton mit harter Bindung, die finde ich toll. Nur ein paar spritzer Wasser und ganz selten mal abrichten. Dabei verwende ich die Schleifhilfe von Gerd Fritsche. Grobe Sachen und Drechseleisen kommen auf die Tormek. Hier noch ein Bild von meinem Schärfplatz.


Eisen westlicher Machart habe ich MHG und Kirschen. Zu den Kirschen sage ich besser nichts. Die MHG Eisen sind recht gut, noch besser sind die Veritas Eisen mit dem PM V11 Stahl. Das HSS Eisen hält die Schärfe deutlich länger wie die Eisen von MHG, mit dem kleinen Nachteil das HSS nicht ganz so scharf wird, wobei ich das nur am Rasiertest festmache.

Ist bei deinem Eisen der Hals zwischen Blatt und Zwinge tiefer als die eigentliche Spiegelseite (so dass man auch Zapfenlöcher tiefer als die eigentliche Blattlänge stemmen kann, ohne dass der Hals dabei hinderlich ist)?

Kurz und knapp, ja, wobei das dann schon sehr tiefe Zapfenlöcher sind.

Grüße
Christoph

Amadeus
Beiträge: 231
Registriert: Do 26. Jan 2017, 12:22

Re: Testbericht: japanische HSS-Stemmeisen

Beitrag von Amadeus »

[In Antwort auf #148961]
Moin Wolfgang!

Als Fan von HSS Eisen und japanischem Werkzeug habe ich deinen Bericht geradezu verschlungen. Vielen Dank dafür! Er ist sehr schön geschrieben und grandios bebildert.

Eins wundert mich aber schon: Wenn du westliche Eisen bevorzugst, warum hast du kein HSS Eisen von Stubai oder Pfeil gekauft, um dies zu testen? Oder war der Reiz auch mal fernöstliches Werkzeug zu beschnuppern?

Ich habe seit einem Jahr Eisen von Pfeil. Die kommen von Werk an eigentlich perfekt ins Haus. Sie sind ideal abgerichtet und die Schneiden - und nur die Schneiden - sind poliert. Die Standzeiten sind in der Tat famos. Ich habe das ganze Jahr über nur mit einem 6000er Stein die Schneiden nachpoliert und nach einigen Zügen waren die wieder scharf. Allerdings hatte ich noch nicht das Pech einen Nagel oder derart zu treffen, sodass ich keine Aussage zu der eigentlichen Schärfdauer treffen kann. Vermutlich würde ich dann der Faulheit geschuldet zu einem Werkzeugschleifer gehen.

Von Stubei habe ich Drechseleisen mit HSS Schneiden und kann die auch nur loben. Einzig mit den Schärfen tue ich mich da noch zum Teil schwer. Ich glaube auf Kurz oder Lang werde ich mir eine Nasssteinschleifmaschine mit Führung hierzu kaufen.

Wie gesagt, hat Spaß gemacht beim Lesen!

Schicken Gruß,
Amadeus

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