Neues Leben eines Schraubendrehers *MIT BILD*

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Rafael
Beiträge: 840
Registriert: Do 6. Jul 2017, 18:43

Neues Leben eines Schraubendrehers *MIT BILD*

Beitrag von Rafael »


Hallo allerseits

Es wurden hier im Forum schon einige Male Schraubendreher vorgestellt, welche in mir den Wunsch haben aufkeimen lassen, dass ich auch gerne solch einen hätte. Um welche es sich handelt wird man gleich auf den Bildern sehen können.
Ich habe bei jedem Flohmarktbesuch geschaut, ob nicht vielleicht irgendwo solch ein Stück angeboten wird, die Suche verlief jedoch erfolglos.
Dann, wärend eines Besuchs bei den Schwiegereltern, wollte ich etwas in der Wohnung richten und suchte deswegen in der vorhandenen Werkzeugkiste nach passendem Werkzeug. Was sah ich da auf einmal? Genau solch ein Schraubendreher lag dort drin, welchen ich gesuch habe, leider in einem erbärmlichen Zustand, schaut doch selbst:




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Eines war gleich klar: der wird wieder aufgearbeitet! Hier möchte ich euch zeigen, was ich unternommen habe um daraus wieder ein schönes Stück zu machen. Ich habe zwar einen Schleifbock und eine elektrische Bohrmaschine bei der Wiederherstellung benutzt, doch war der Einsatz sehr begrenzt, sodass der Beitrag doch in dieses Forum passt.
Zuerst habe ich das krumme Ding begradigt, was gar nicht so einfach war. Danach wurde der Grat am hinteren Teil weggefeilt und glatt geschliffen.



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Danach mussten die alten Griffschalen abgemacht werden, die Nieten (bzw. die Schraube) wurden aufgebohrt. Bei der Gelegenheit konnte ich sehen, welche Niete ursprünglich werwendet wurde.


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Nach der Reinigung lag der Metallrohling vor mir und ich konnte mich daran machen die Griffschalen Herzustellen. Bei dem Holz fiel die Wahl auf ein Brett, welches ich aus Indien mitgebracht habe. Es war teil einer Einwegpalette und da es sehr hart und homogen war, habe ich mir was rausgesägt, was noch ins Gepäck passte. Ich habe keine Ahnung, welches Holz es ist, aber das Zeug ist ziemlich hart.

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Ich habe lange überlegt, in welche Richtung ich die Jahresringe haben möchte? Schließlich entschied ich mich für die "verkehrte" Lösung. Aus einem kleinem Klötzchen wurden zwei Teile gesägt, etwas zurecht gehobelt, die Umrisse angezeichnet und die äußere Form grob zurecht gesägt und zum Schluß die Schrägen angehobelt.



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Die folgende Vorgehensweise war wohl etwas unorthodox. In die angebrachten Löcher habe ich M4 Gewinde geschnitten um mit passenden Schrauben die Halbschalen zu befestigen. Später habe ich gemerkt, dass ich doch nicht beide Schalen auf einmal befestigen musste, da ich doch sowieso nur eine Hälfte bearbeiten konnte (die Seite, wo nicht die Schraubenköpfe waren).

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Nun lag vor mir, was ich überhaupt nicht mag - Holz feilen und schleifen. Ich versuchte daher das meiste Material durch schneidende Bearbeitung abzutragen.

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Die Griffschale wurde soweit bearbeitet bis nur noch ganz wenig Material zu entfernen blieb. Die eigentliche Form wurde dabei fast vollständig herausgearbeitet. Dabei kam ich mit der Feile fast schon auf die Schraube, da hatte ich mit der Länge Glück gehabt.

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Nun wurden die Schrauben von der anderen Seite eingeschraubt und die andere Schale kam auch zu ihrer Form. Diesmal musste ich mit der Feile auch schon die Schrauben bearbeiten, was aber kein Problem darstellte.

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Lange habe ich überlegt, welche Nieten oder gar Schrauben ich für die Befestigung der Griffschalen nehmen soll? Messingnieten wären wohl recht einfach in der Verarbeitung, aber der Materialmix passte mir nicht. Es hat hier im Forum jemand gezeigt, dass er die Schalen geklebt hat und zwei einfache Metallstifte für zusätzlichen Halt durchgesteckt hat. Es sah sehr gut aus, aber irgendwie hatte ich keine Lust auf Epoxy. Nieten mit normalem Senkkopf kamen nicht in Frage, da sie das das Holz wahrscheinlich spalten würden. Eventuell könnte ich Senkkopfnieten und Scheiben mit gesenkten Löchern verwenden, ich hatte jedoch befürchtet, dass ich damit die Schalen nicht genügend zusammenpressen könnte. Außerdem war mir die Gefahr zu groß, dass ich mir das Holz beim Vernieten zerdeppern würde. Somit kam ich auf eine wilde Idee.
Ich wollte M4 Schrauben mit zylindrischem kopf und Schlitz verwenden, und als Muttern normale Sechskantmuttern, welche ich rund geschliffen habe. Die Muttern bekamen noch einige Nuten mit der Feile verpasst, damit sie nicht im Holz rund drehen. Somit konnte ich die beiden Holzteile richtig zusammenziehen, nachdem die Löcher etwas aufgeweitet wurden und mit einem Holzbohrer leichte Vertiefungen angelegt wurden.




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Nachdem die Muttern schon um einiges runtergefeilt wurden, habe ich die Schrauben mit einigen Körnerpunkten in den Muttern gesichert.

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Danach wurde weiter gefeilt, zum Schluß mit Schleifpapier geschliffen und danach mit Danish Oil geölt. Wie man sieht, habe ich die eine Vertiefung für den Schraubenkopf etwas zu tief angesetzt und beim Feilen blieb noch der Schlitz leicht zu erkennen. Nichtsdestotrotz bin ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden und die malträtierte Spitze kam auch noch zu einer vernünftigen Form. Da wollte ich nicht allzu viel Material weg nehmen und habe nur soweit geschliffen, bis die Funktion gesichert war.




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Mir gefällt der Schraubendreher und wenn ich doch noch einen auf einem Flohmarkt sehen sollte, dann wird er mitgenommen und er bekommt eine ähnliche Behandlung.
Für die Vertiefungen für die Schraubenköpfe und Muttern würde ich mir allerdings einen dünneren Bohrer nehmen (6,5mm statt 7,0mm) und diesen als Stufenbohrer anschleifen, damit er Führung in den Löchern bekommt. Damit hätte ich nicht diesen kleinen Spalt zwischen den Köpfen und dem Holz.

Danke fürs Lesen.
Gruß,
Rafael



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Volker Hennemann
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Klasse

Beitrag von Volker Hennemann »


Hallo Rafael,

auf so eine Idee würde ich nie kommen, so ein altes verbeultes Teil wieder aufzuarbeiten.
Du hast gezeigt dass es geht. Und er sieht 10mal besser aus, als ein neuer Schraubenzieher bzw. Schraubendreher ;-)
Hut ab!
Der einzige Wehmutstropfen dabei: Die schönen Schlitz Schraubenzieher braucht man eigentlich nur noch zum Farbdosen öffnen in der Werkstadt oder für die ein oder andere ältere Maschine. Sie sterben langsam aus, befürchte ich.
Wenn man aber ehrlich ist, muss man zugeben, dass es die einzige Schraubenzieherform ist, die gut aussieht.

Herzliche Grüße
Volker

Wolfgang J
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Re: Klasse

Beitrag von Wolfgang J »


Hallo,
Sieht gut aus der Schraubendreher. Auch mir gefällt diese Art, habe inzwischen schon 3 verschiedene Größen, muss sie mal aufarbeiten.
Bei leevalley bekommt man sie noch in neu, nennen sich dort Woodworkers' Parallel-Tip Screwdrivers. Leider ist der Versand recht teuer.
Gruß Wolfgang

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Volker Hennemann
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Re: Klasse

Beitrag von Volker Hennemann »


Hallo Wolfgang,

Hier bekommst du sie auch noch
https://www.workshopheaven.com/hand-tools/pliers-spanners-and-screwdrivers/screwdriver-sets.html
Der Brexit ist ja noch nicht vollzogen ; -)

Grüße
Volker

Konrad Holzkopp
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Re: Klasse

Beitrag von Konrad Holzkopp »


Guuden,

eine schöne Arbeit, nur ist das Werkzeug so leider nicht mehr richtig gebrauchsfähig.
Eine Schraubendreherklinge ist Einsatzgehärtet, mit dem gut gemeinten Nachschleifen
ist die Härte leider dahin.

Gut Holz! Justus.

Kurt Heid
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Registriert: Mi 25. Aug 2021, 13:35

Re: Neues Leben eines Schraubendrehers

Beitrag von Kurt Heid »

[In Antwort auf #147417]
Hallo ich hoffe du lässt die Klinge beim Schmied nacharbeiten und härten, sonst war die Mühe umsonst
Gruß, Kurt

Rafael
Beiträge: 840
Registriert: Do 6. Jul 2017, 18:43

Weiche Klinge

Beitrag von Rafael »


Hallo

Ich weiß nicht, wie man vor mir die Klinge behandelt hat, aber bei mir war sie jeweils etwa 4 sekunden an der Scheibe und landete danach im Wasser. Bei der kurzen Schleifzeit gab es auch keinen "zisch...."-Laut im Wasserbad.
Bei dem nächsten Einsatz werde ich das ganze genauer beobachten.

Rafael

martin

Re: Neues Leben eines Schraubendrehers

Beitrag von martin »


Hallo Rafael,

wir haben hier früher öfter die Arbeiten von Esat bestaunt,
in diesem Blog hat er sich eine ganz ähnliche Aufgabe gestellt:

http://overkil-design.blogspot.de/2012_09_09_archive.html

im vorletzten Bild sieht man die Spitze mit früher offensichtlich üblichen parallelen Seiten.

Ich weiß auch nicht, wie er die Metallarbeiten immer so sauber hinbekommen hat, wenn ich mir allerdings seinen selbst gebauten Bandschleifer anschaue, eröffnen sich natürlich Möglichkeiten.

Vielleicht braucht man bei Metall einfach auch mehr Geduld beim schleifen, als ich sie habe

Gruß
martin



Rafael
Beiträge: 840
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Re: Neues Leben eines Schraubendrehers

Beitrag von Rafael »


Hallo

Genau diesen Schraubendreher hatte Esat hier auch mal gezeigt und den meinte ich, als ich das mit den geklebten Schalen und zwei Metallstiften erwähnte.
Die Spitze des Schraubendrehers bei Esat war in einer viel besseren Verfassung als bei mir. Ich wollte einfach nicht so viel Material entfernen, bis sich ein einheitliches Bild ergibt.
Mein Ziel war zuallererst einen Schraubendreher zu bekommen der gerade ist, an dessen Griff man sich nicht verletzen kann und mit dem geschraubt werden kann.
Es durfte ruhig zu sehen sein, dass dieses Werkzeug schon einiges hinter sich hat. Was das Schleifen angeht, so ist das gar nicht mal so schwer, ein Banschleifer in dem das Band auch nachgeben kann ist da aber sicher sehr hilfreich.

Rafael

Konrad Holzkopp
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Re: Weiche Klinge

Beitrag von Konrad Holzkopp »

[In Antwort auf #147422]
Guuden,

Besonders die Klingen alter Werkzeuge sind einsatzgehärtet, also im Bereich der Oberfläche hart,
innen zäh. Der harte Bereich ist nun weggeschliffen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Einsatzh%C3%A4rten

g.H.! J.

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