Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Hier werden Holzprojekte diskutiert, die vorwiegend mit Handwerkzeugen und nicht mit Maschinen realisiert werden. Hier ist auch ein Platz für traditionelle Oberflächenbehandlung von Holz. Ebenso geht es hier um klassische Handwerkzeuge zur Holzbearbeiteng, deren Bedeutung, Pflege und Gebrauch.
Jörg Janssen

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von Jörg Janssen »


Hallo Henning,

Ja, das Herunterschleifen der beschädigten Schellackoberfläche bis auf das darunterliegende Furnier halte ich auch für eine schlechte Idee. Ich hatte allerdings nur vor, die durch die Nässe verursachten Unebenheiten im Schellack glattzuschleifen; der Schellack sollte also nicht ganz entfernt werden, sondern nur die oberste Schicht. Danach wollte ich die Oberfläche mit einer Lösung von blondem Schellack wieder aufbauen und schließlich polieren.

Auf Dein freundliches Angebot, mir mit Ideen und Adressen weiterzuhelfen, werde ich gerne eingehen und Dir in den nächsten Tagen ein Bild von dem guten Stück zusenden.

Danke für den Tipp, auf der Oberfläche nach Pinselstreifen zu suchen. Ich habe keine gefunden, was sich mit meinen Informationen deckt, daß die Bandonion-Gehäusetischler damals ausschließlich Schellack verwendeten. Von Fertiglösungen wurde mir übrigens immer wieder abgeraten, und ich habe auch kein Problem damit, mir für das Aufpolieren viel Zeit zu nehmen. Nur über die genaue Technik (Öl oder kein Öl, wenn ja, welches) habe ich z.T. sehr abweichende Angaben gehört. Edi empfahl mir ein Buch, von welchem ich mir Antworten erhoffe.

Jörg

Edi Kottmair
Beiträge: 1054
Registriert: Sa 5. Jul 2014, 08:30

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von Edi Kottmair »


Hallo Jörg,

es gibt spezielles Polieröl, aber nach Aussage der Restauratorin, bei der ich einen Kurs besuchte, geht auch normales Nähmaschinenöl. Hauptsache dünnflüssig.
Porenfüllen ist beim Ausbessern auch nicht mehr notwendig, denn sie wurden schon mal gefüllt.

Gruß, Edi

Jörg Janssen

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von Jörg Janssen »


Hallo,

inzwischen habe ich das von Edi empfohlene Buch bekommen (Danke an Edi für die Empfehlung!) und zuerst an einem Abfallstück, danach an einem zweiten Bandonion (ein ziemlich kaputtes 'Heinrich Band' ohne Intarsien) die Restauration einer Schellackoberfläche geübt. Es klappte schließlich wuderbar, und ich fühle mich jetzt sicher genug, als nächstes die Restauration des 'Premier' mit den Intarsien in Angriff zu nehmen. Hier meine Vorgehensweise:

1. Grobschleifen: Unebenheiten in der Schellackoberfläche mit 600er Schleifpapier naß planschleifen. Als Schleifflüssigkeit verwende ich das gleiche Walnußöl, welches ich später als Gleit-Hilsmittel für die Politur einsetze. Nach dem Planschleifen wische ich das Öl sofort ab, damit die Schelifpartikel nicht festkleben.

2. Deck-Politur: Aus einem Wolle-Kern, Leinen-Zwischentuch und einem fusselfreien (!) Baumwoll-Übertuch drehe ich einen Polierballen. Diesen tunke ich in frisch angesetzte 20%ige alkoholische Schellacklösung. Einen Tropfen Walnußöl dazu, und das Gemisch auf dem Werkstück verteilen. Ich arbeite in kreisenden 'Achten' mit zunächst wenig Druck, und die Fläche sieht anfangs Matt aus. Mit der Zeit kann ich den Druck erhöhen, die Fläche beginnt zu glänzen, Risse auf der Oberfläche beginnen sich zu schließen, und der Polierballen 'knackt' beim bewegen. Die Schellackoberfläche ist durch das eingelagerte Lösungsmittel noch weich und muß mindestens(!) einen Tag ruhen.

3. Feinschliff: Die polierte Fläche zeigt noch einige Streifen -- und bei meinen ersten Versuchen auch Polierfehler. Frühestens am nächsten Tag werden diese mit 1000er Schleifpapier naß glattgeschliffen.

4. Feinpolitur: wie unter 2., jedoch mit 10%iger Schellacklösung.

5. Schritte 3. und 4. so oft wiederholen, bis man mit der Oberfläche zufrieden ist. Kratzer und andere Fehler benötigen einige Poliergänge, bis sie vollkommen gefüllt sind. Man kann größere Fehler angeblich auch mit geschmolzenem Schellack 'auskitten', ich habe das selber aber noch nicht versucht.

6. Abziehpolitur: am Tag nach jedem Poliergang ist die Oberfläche des Werkstücks von 'ausgeschwitztem' Öl matt. Bisher war dies egal, da ich die Oberfläche sowieso noch einmal planschleifen mußte. Nun ist die Oberfläche fast vollkommen eben. Ich lasse sie vorsichtshalber zwei Tage lang aushärten, dann wird das 'ausgeschwitzte' Öl mit einem mit reinem Alkohol und einem fast trockenen Polierballen abpoliert. Hierbei darf man nicht zu lange arbeiten, da die Oberfläche sonst wieder weich wird und Polierfehler entstehen.

Bemerkungen:
Zum Schleifen soll man auch 000er-Stahlwolle nehmen können. Ich bin kein Experte und schleife überall wo möglich mit Schleifklotz, um eine möglichst ebene Fläche zu erhalten.

Die Schellacklösung setze ich selber an aus entwachstem blonden Blatt-Schellack von Kremer. Hier in Köln gibt es einen sehr guten Laden für solche Artikel. Ich bin vor fertigen Lösungen gewarnt worden: Die Schellack-Moleküle verbinden sich angeblich sehr langsam aber sicher mit dem Alkohol aus dem Lösungsmittel, so daß die Oberflächen nicht mehr aushärten.

Ich habe festgestellt, daß ich ohne den Tropfen Öl auf dem Polierballen nicht auskomme: Verzichte ich darauf, klebt der Ballen und ich hinterlasse Polierfehler. Ich verwende reines Walnußöl. Man soll auch mit Leinöl arbeiten können, doch ich traue mir das noch nicht zu: Leinöl ist sehr viskos und lagert sich zwischen die Zuckerketten des Schellacks ein. Ich fürchte daher, daß eine damit erzeugte Schellackoberfläche einige Tage länger weich bleibt. Dafür vernetzt sich Leinöl unter Licht- und Lufteinwirkung und wird schließlich härter.

Vielen Dank an alle für Eure Tips!

Ralf Emig

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von Ralf Emig »

[In Antwort auf #95699]
Hallo,auch ich habe eine frage.
Gibt es jemanden in Rheinland-Pfalz oder wo anders,der noch Schellack mit der
Hand Polieren kann? Es handelt sich um einen Alten Schreibtisch der es Nötig hat.Wenn mir jemand helfen kann,dann bitte ich um eine nachricht.
Tel:02680-9889920,Mobil:0178-4773700,oder eine Mail.
Mit freundlichen grüssen Ralf Emig

Jörg Janssen

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von Jörg Janssen »


Hallo,

das sollte eigentlich jeder Möbel- oder Holzrestaurator können. Hier in Köln gibt es z.B. Markus Bennemann und Heiko Ellermann. Es ist auch keine Hexenkunst, man kann es gut selber zu lernen.

kida

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von kida »

[In Antwort auf #95780]
Hallo Herr Janssen,

Sie haben geschrieben:

>Zum Schleifen soll man auch 000er-Stahlwolle nehmen können. Ich bin kein >Experte und schleife überall wo möglich mit Schleifklotz, um eine möglichst >ebene Fläche zu erhalten.
>

Sie haben recht, meine Erfahrung mit Stahlwolle ist gut und nicht so gut...

Die guten Seiten der Stahlwolle:
Stahlwolle setzt kaum zu was beim Schleifpapier sehr schnell der fall ist.
Es macht feinere "kratzer" als das körnige schleifpapier, da das drahtgeflecht wie kleine klingen wirkt. Stahlwolle ist sehr gut bei verschnörkelten und runden sachen anzuwenden.

Nachteil:
Wenn man länger mit der stahlwolle arbeitet "ergraut" die oberfläche was vor allem bei weißen oder hellen untergrund sehr störend ist ich habe noch keinen weg gefunden den grauen schleier ohne viel aufwand abzuwischen... we da eine Idee hat möchte sie doch bitte hier preis geben...

LG
kida

Line

Re: Restaurierung einer Schellack-Oberfläche

Beitrag von Line »


Hallo Jörg!

Bin gerade auf der Suche nach einer ganz anderen Antwort, die mit Schellack zu tun hat, auf Deine Korrespondenz gestossen. Vielleicht kannst du mir helfen, da Du ja ein gutes Buch gekauft hast.
Wann wurde mit der Benutzung von Schellack in Deutschland/ Europa begonnen? Wann ist der Schellack hierher gekommen?
Ich habe meine schlauen Buecher leider nicht mit genommen(arbeite gerade im Ausland) und kenne mich im Internet leider auch nicht so gut aus. Wuerde mich sehr ueber eine Antwort freuen!
Danke! Gruss! Line

Jörg Janssen

Schellack Geschichte; War: Restaurierung ...

Beitrag von Jörg Janssen »


Hallo Line,

Oft wird der "Vernis Martin", welche die Brüder Martin zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts in Frankreich entwickelt hatten, für Schellack gehalten. Es handelt sich dabei jedoch wahrscheinlich um ein Verfahren auf der Basis von Öl und Gummi Arabicum.

Schellack kam bereits im siebzehnten Jahrhundert nach Europa, meistens wurde nur das Pigment verwendet. Es gibt aber auch einige sehr seltene italienische Möbel aus der Renaissance mit Schellack-Oberflächen. Ab dem Beginn des neunzehnten Jahrhunderts (1810~1820) verbreitete sich die Schellackpolitur von Frankreich ausgehend in ganz Europa.

Erst die Einführung von Nitrozellulose-Lacken in den 1920ern und später Lacken auf Polyurethanbasis vedrängte die Oberflächenbehandlung mit Schellack, da die moderneren Lacke weniger Handarbeit erfordern.

Line

Re: Schellack Geschichte; War: Restaurierung ...

Beitrag von Line »


Hallo Jörg!

Besten Dank fuer Deine Antwort, hat mir weitergeholfen! Weiss jetzt wie ich weiter machen muss! Werde wohl auf gelöstes Harz zurueckgreifen, um Orgelpfeifen vorm Vergolden abzusperren.
Nochmals Dank!
Line

Wolfgang
Beiträge: 59
Registriert: Sa 29. Mär 2014, 12:02

Re: Schellack Geschichte; War: Restaurierung ...

Beitrag von Wolfgang »


Hallo liebe Leute!
Was heisst hier Schellackpolitur? Schellack war zu früheren Zeiten ein kostbarer Werkstoff. Er wurde nicht alleine (und schon garnicht zum Grundieren) benutzt, sondern immer in Mischung mit anderen, billigeren Harzen. Erst in der Mitte des 19. Jh. kam die Mode der reinen Schellackpolitur auf. Dass man Schellack schon in der Renaissancezeit verwendet hat, finde ich unglaubwürdig. Denn erst die regelmäßigen und kontinuierlichen Handelsbeziehungen mit Asien konnten die Grundlage für den Schellackimport bedeuten. Außerdem war es damals noch nicht so wichtig, dass die Möbel glänzten. Das kam erst mit der Lackmöbelmode im 18. Jahrhundert.
Gruß Wolfgang

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